Klein, aber aktiv
Neue Forschungsgruppe am MPS: Jessica Agarwal untersucht die Aktivität von Kometen und Asteroiden im Rahmen eines Starting Grants des Europäischen Forschungsrats.
Mit einem Durchmesser von höchstens einigen hundert Kilometern zählen Asteroiden und Kometen zu den kleinsten Bewohnern unseres Sonnensystems. Vernachlässigbar sind die unregelmäßig geformten Brocken dennoch nicht: Zu Millionen bevölkern sie die Bereiche zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter und jenseits des Neptuns. Wissenschaftlern gelten sie zudem als Überbleibsel aus der Frühzeit des Sonnensystems. Was verraten die „kleinen Körper“ über unser Sonnensystem und seinen Ursprung? Und wie haben sie sich seit ihrer Entstehung verändert? Diesen Fragen geht Dr. Jessica Agarwal vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in der neuen Arbeitsgruppe „Aktivität von Kometen und Asteroiden“ nach. Der Europäische Forschungsrat (ERC) unterstützt das Vorhaben in den nächsten fünf Jahren mit einem Starting Grant.
„Die vergangenen 4,5 Milliarden Jahre seit der Entstehung des Sonnensystems sind weder an den Kometen, noch an den Asteroiden spurlos vorbeigegangen“, so Agarwal. Um zu verstehen, welche Informationen über das frühe Sonnensystem sie tatsächlich noch enthalten, will die Forscherin deshalb klären, wie sie sich seitdem verändert haben. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Aktivität der so genannten kleinen Körper.
Kometen beispielsweise verbringen den Großteil ihres Lebens als gefrorene Brocken am eisigen Rand des Sonnensystems jenseits des Neptuns. Geraten sie jedoch ins innere Sonnensystem – und somit in die nähere Sichtweite von Forschern - vollzieht sich eine Verwandlung: Unter dem Einfluss der Sonne verdampfen gefrorene Gase wie Wasser und Kohlenmonoxid und reißen Staubteilchen mit sich ins All. Der Komet wird aktiv. Er entwickelt eine Atmosphäre und einen Schweif; seine Oberfläche erodiert stellenweise.
„Wie diese Aktivität einen Kometen im Detail verändert, können wir erst seit der Rosetta-Mission untersuchen“, so Agarwal. Die Mission der Europäischen Weltraumagentur (ESA) erreichte im August 2014 den Kometen Churyumov-Gerasimenko und begleitete ihn mehr als zwei Jahre lang auf seinem Weg durchs innere Sonnensystem. Alle früheren Kometenmissionen hatten im Vergleich lediglich kurze Momentaufnahmen ihrer Forschungsobjekte geliefert.
Neben dem umfangreichen Datenschatz der Rosetta-Mission will die Wissenschaftlerin zudem Beobachtungen mit Hilfe von Weltraum- und bodengebundenen Teleskopen nutzen. Auch in diesem Bereich hat sich der Stand der Forschung in den vergangenen Jahren rasant weiterentwickelt. Dank der besseren Beobachtungsmöglichkeiten wurden im Asteroidengürtel, dem Bereich zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter, einige ungewöhnliche Asteroiden entdeckt, die kometenähnliche Aktivität aufweisen. Etwa 20 solcher Körper sind derzeit bekannt.
In den meisten Fällen setzt ein Auseinanderbrechen – entweder nach einem Zusammenstoß oder als Folge der schnellen Rotation – die Aktivität in Gang: An den Bruchstellen wird Eis freigelegt, dass nun ähnlich wie bei einem Kometen verdampfen kann. „Noch ist völlig unklar, warum einige Asteroiden offenbar unterirdisches Eis enthalten, andere jedoch nicht“, erklärt Agarwal. Die aktiven Asteroiden könnten jedoch ein wichtiges Puzzlestück liefern um zu verstehen, wo im Sonnensystem Wasser überdauern konnte und wie sich der Asteroidengürtel entwickelt hat. „Unsere Aussichten, diese Fragen zu beantworten, waren noch nie so gut wie heute“, so Agarwal.
Jessica Agarwal hat an der Universität Jena und an der Freien Universität Berlin Physik studiert. Bereits in ihrer Doktorarbeit in Heidelberg (sieben Jahre vor der Ankunft der Rosetta-Sonde am Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko) wandte sie sich dem Rosetta-Kometen zu. Es folgten Forschungsaufenthalte am European Space Research und Technology Center in Noordwijk (Niederlande) und an der Universität Potsdam. Seit 2012 forscht Agarwal am MPS.
Mit den Starting Grants unterstützt der Europäische Forschungsrat jährlich junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Forschungsbereichen, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen. Die Starting Grants sind international hoch angesehen und hart umkämpft: Von einigen tausend Bewerbungen setzen sich im Durchschnitt jährlich nur etwa elf Prozent durch. Die ausgewählten Forscherinnen und Forscher erhalten die Möglichkeit, eine eigene Forschungsgruppe aufzubauen und selbstständig ein neuartiges und innovatives Forschungsprojekt zu verfolgen.