Doppelasteroid 288P: Eine Klasse für sich

288P ist ein Exot unter Exoten: Er ist der einzige, bisher bekannte aktive Doppelasteroid.

19. September 2017

Der Körper 288P, der im Asteroidengürtel zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter um die Sonne kreist, ist der bisher einzig bekannte seiner Art. Er gehört nicht nur zu der Gruppe außergewöhnlicher Asteroiden, die Staub und Gas ins All spucken – und sich damit ausgesprochen untypisch für „Bewohner“ des Asteroidengürtels verhalten. Er besteht auch aus zwei getrennten Teilen, die sich um einen gemeinsamen Schwerpunkt drehen. Das legen Daten des Weltraumteleskops Hubble nahe, die Forscher unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) jetzt ausgewertet haben. 288P ist somit der erste bekannte aktive Doppelasteroid. Von ihrer Entdeckung berichtet die Forschergruppe in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Nature. Darin charakterisieren sie den kosmischen Sonderling und kommen zu dem Schluss, dass er wahrscheinlich vor nicht mehr als 5000 Jahren unter dem Einfluss der eigenen Rotation in zwei Teile zerbrach.

Kometen verbringen den Großteil ihrer Zeit am eiskalten, äußeren Rande des Sonnensystems. Führt sie ihre stark elliptische Umlaufbahn in den Einflussbereich der Sonne, werden sie aktiv: Gefrorene Gase verdampfen und reißen Staubteilchen mit sich ins All. Asteroiden, wenn auch ähnlich in Größe und Form, sind im Vergleich eher beständige, unveränderliche Himmelskörper: Sie ziehen ihre immer gleichen Bahnen im Asteroidengürtel, der sich zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter erstreckt.

In den vergangenen Jahren haben Forscher immer mehr Körper entdeckt, die sich nicht in dieses übersichtliche Schema einfügen. Auch der nun charakterisierte 288P gehört dieser Gruppe an. Die so genannten aktiven Asteroiden oder Hauptgürtel-Kometen bewohnen zwar den Asteroidengürtel, zeigen jedoch kometenähnliche Aktivität. Die Ursachen für das ungewöhnliche Staub- und Gasspucken können sehr unterschiedlich sein: Während einige Körper unter dem Einfluss der eigenen Rotation Material verlieren, wurden andere von kleineren Brocken getroffen. Ein solcher Einschlag kann nicht nur Staub aufwirbeln, sondern auch gefrorene Gase im Innern des Asteroiden freilegen, die dann verdampfen. Etwa 20 dieser exotischen Körper sind bisher bekannt. Doch 288P sticht durch eine weitere Eigenschaft hervor: Er besteht aus zwei getrennten Stücken, die um einen gemeinsamen Schwerpunkt rotieren.

„Bereits 2011 wurden wir auf 288P aufmerksam“, erinnert sich Jessica Agarwal, Wissenschaftlerin am MPS und Erstautorin der neuen Studie. In Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble zeigten sich damals deutliche Anzeichen für Aktivität. Der große Abstand, der 288P zu diesem Zeitpunkt von der Erde trennte, erlaubte es jedoch nicht, seine Gestalt näher zu untersuchen. Im September 2016 waren die Bedingungen günstiger. Auf dem Weg zu seinem sonnennächsten Punkt näherte sich der Asteroid der Erde auf nur etwas mehr als zweihundert Millionen Kilometer an. Nun ließen sich deutlich zwei getrennte Stücke erkennen.

Umfangreiche Analysen der Messdaten offenbaren jetzt einen in vielerlei Hinsicht einzigartigen Körper. Die beiden Einzelteile, aus denen 288P besteht, messen jeweils etwa einen Kilometer im Durchmesser. Simulationen zeigen, dass der Abstand beider Teile ungewöhnlich groß ist: Sie umkreisen einander auf einer stark elliptischen Bahn mit einem Abstand in der Größenordnung von 100 Kilometern. Dass der Körper immer dann aktiv wird, wenn er sich der Sonne nähert, deutet zudem darauf hin, dass freigelegte, verdampfende Gase seine Aktivität treiben. „288P muss vor kaum mehr als 5000 Jahren auseinandergebrochen sein“, so Agarwal. Sonst hätten sich diese Gase im vergleichsweise sonnennahen Asteroidengürtel längst vollständig verflüchtigt. 

Die Analysen bieten weitere Hinweise auf die Entstehungsgeschichte des außergewöhnlichen Körpers. „Wir glauben, dass sich 288P in einem ähnlichen Prozess zweiteilte wie viele binäre Asteroiden“, so Agarwal. Durch die schnelle Rotation um die eigene Achse kann ein Asteroid instabil werden und schließlich auseinanderbrechen. Für diese Theorie spricht unter anderem, dass die Umlaufbahnen der beiden Teilstücke umeinander in derselben Ebene verlaufen wie ihre gemeinsame Umlaufbahn um die Sonne. Diese Konstellation ist für Asteroiden, die als Folge eines heftigen Einschlags zerbrechen, unwahrscheinlich.

Nach seiner Zweiteilung veränderte sich der Körper nach Ansicht der Forscher weiter. „Die Aktivität von 288P spielte bei seiner folgenden Entwicklung wahrscheinlich eine entscheidende Rolle“, so Agarwal. Das Gas, das nun verdampfte und Fontänen aus Staub mitriss, veränderte den Bahndrehimpuls des Systems. Als Folge drifteten die Einzelteile weiter auseinander - bis auf den ungewöhnlich großen Abstand, den sie heute einnehmen.

Körper wie 288P können Forschern helfen zu verstehen, wie unsere kosmische Nachbarschaft entstanden ist und sich dann weiterentwickelt hat. So geht es etwa um die Frage, wo im Asteroidengürtel Wasser überdauern konnte. Ob der neu entdeckte Asteroid ein kosmischer Einzelfall ist, lässt sich zurzeit nicht sagen


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