Zweimal Venus im Vorbeiflug

Viel Betrieb an der Venus: Mit nur einem Tag Abstand steuern die Weltraummissionen Solar Orbiter und BepiColombo dicht an dem Planeten vorbei.

2. August 2021

Die Venus ist in den nächsten Tagen ein gefragtes Etappenziel: Auf ihrem Weg ins innere Sonnensystem statten gleich zwei Weltraummissionen unserem Nachbarplaneten einen kurzen Besuch ab. Am Montag, 9. August, nutzt die ESA-Sonde Solar Orbiter den Vorbeiflug, um auf eine neue Umlaufbahn um die Sonne einzuschwenken; nur einen Tag später fliegt BepiColombo ein ähnliches Manöver, bevor sich die Doppelsonde der europäischen und der japanischen Weltraumagenturen ESA und JAXA auf den letzten Teil ihrer Reise zum Merkur macht. Aus wissenschaftlicher Sicht passieren beide Missionen die Venus sozusagen im Halbschlaf: Während einige Instrumente zu ihrem eigenen Schutz ausgeschaltet sind, sammeln solche, die Teilchen und Magnetfelder in der Umgebung der Venus messen können, wertvolle Daten. Dazu gehören auch Instrumente, an denen das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen beteiligt ist.

Die ESA-Raumsonde Solar Orbiter erreicht die Venus als Erste. Knapp 8000 Kilometer werden den Sonnenspäher, der sich seit Februar 2020 unserem Zentralgestirn auf immer engeren Umlaufbahnen nähert, am Montag, 9. August, gegen 6.42 Uhr (MESZ) von dem Planeten trennen. Einen deutlich kleineren Abstand zur Venus gibt die Flugroute der europäisch-japanischen Doppelsonde BepiColombo vor: Am Dienstag, 10. August, gegen 15.58 Uhr (MESZ) wird er nur etwa 550 Kilometer betragen.

Für beide Missionen ist dies bereits die zweite Begegnung mit der Venus. Da einige ihrer Messinstrumente leistungsstärker sind als die früherer Venus-Besucher, bietet auch dieser Vorbeiflug die willkommene Möglichkeit, ganz genau hinzuschauen. Dass beide Sonden unseren Nachbarplaneten in enger zeitlicher Abfolge passieren, ist doppelt gut: So sind gleichzeitige Messungen an zwei verschiedenen Orten in der Umgebung der Venus möglich. Dies kann beispielsweise helfen zu verstehen, wie sich Teilchen und Magnetfelder dort ausbreiten.

Eintauchen in die Ionosphäre

Anders als die Erde und den Merkur umgibt die Venus kein starkes, stabiles Magnetfeld. Allerdings induziert der Sonnenwind, der fluktuierende Strom geladener Teilchen von der Sonne, elektrische Ströme in der Venus-Ionosphäre und erzeugt so ein schwaches, ebenso fluktuierendes Magnetfeld. Zudem verformt der Strom aus Sonnenteilchen die Hülle der Venus so, dass sie an der sonnenabgewandten Seite wie ein Schweif bisweilen viele Millionen Kilometer weit ins All ragt.

Diesen komplexen Vorgängen wollen Solar Orbiter und BepiColombo beim Vorbeiflug nachspüren. Dabei taucht die Merkur-Sonde sogar in die untere Ionosphäre ein; die Instrumente SERENA (Search for Exospheric Refilling and Emitted Natural Abundance), SIXS (Solar Intensity X-ray and particle Spectrometer), MPO-MAG (Mercury Planetary Orbiter Magnetometer) und MPPE (Mercury Plasma Particle Experiment) werden Messungen durchführen.

Die Teilchen und Magnetfelder in der Umgebung der inneren Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars geben Hinweise darauf, warum sie sich seit ihrer Entstehung so unterschiedlich entwickelt haben. Während unsere Heimat eine wasserreiche Gashülle umgibt, wurde der Mars zu einem trockenen Wüstenplaneten, der nur Reste einer Atmosphäre aufweist. Und die Venus versteckt sich unter einer dichten, giftigen Atmosphäre, die für einen dramatischen Treibhauseffekt sorgt. Forscherinnen und Forscher interessiert deshalb, durch welche Prozesse Teilchen aus der unteren Atmosphäre der jeweiligen Planeten in ihre Ionosphäre und von dort ins Weltall entweichen.

In den Messdaten von MPPE beispielsweise hoffen Forscherinnen und Forscher, Hinweise auf ungebundene Kohlenstoff-Ionen, so genannten atomaren Kohlenstoff, zu finden. Seine Existenz in der Ionosphäre würde darauf hindeuten, dass in der daruntergelegenen Atmosphäre nicht nur ultraviolettes Licht einzelne Moleküle spaltet und somit Voraussetzungen für ihr Entweichen ins All schafft, sondern dass möglicherweise auch heftige Zusammenstöße mit Elektronen am Werk sind. Bereits 1996 konnte das Weltraumobservatorium SOHO (Solar and Heliospheric Observatory) atomaren Kohlenstoff aus einer Entfernung von etwa 40 Millionen Kilometern im damals ungewöhnlich langen Ionenschweif der Venus nachweisen; seitdem ist dies keiner weiteren Sonde gelungen.

Und nicht zuletzt ist der bevorstehende Vorbeiflug für BepiColombo eine wichtige Generalprobe. Bevor die Sonde Ende 2025 in eine Umlaufbahn um den Merkur einschwenkt, stehen auf dem Reiseplan noch mehrere Merkur-Vorbeiflüge. Die geplanten Messungen an der Venus bieten somit die Gelegenheit sicherzustellen, dass bis dahin alle Messinstrumente in Topform sind.

Zu den Missionen

Die Doppelraumsonde BepiColombo der europäischen und japanischen Weltraumagenturen ESA und JAXA startete am 20. Oktober 2018 ins All. Sie besteht aus den beiden Sonden Mercury Planetary Orbiter und Mercury Magnetospheric Orbiter, die während der Anreise zum Merkur aufeinandergestapelt fliegen. Das MPS hat zu den Instrumenten BELA (BepiColombo Laser Altimeter), MIXS (Mercury Imaging X-ray Spectrometer), MPPE (Mercury Plasma Particle Experiment) und SERENA (Search for Exospheric Refilling and Emitted Natural Abundances Experiment) Hardware beigetragen und ist wissenschaftlich beteiligt an dem Magnetometer MPO-MAG und dem Instrument MDM (Mercury Dust Monitor).

Die ESA-Sonde Solar Orbiter ist seit 10. Februar 2020 im Weltraum unterwegs. Sie wird sich in den nächsten Jahren der Sonne auf Ellipsen immer weiter nähern, bis sie nur noch 42 Millionen Kilometer trennen. Das MPS hat zu den Instrumenten PHI (Polarimetric and Helioseismic Imager), EUI (Extreme-Ultraviolet Imager) und SPICE (Spectral Imaging oft he Coronal Environment) sowie zum Koronagraphen Metis beigetragen. Als Fernerkundungsinstrumente werden sie während des Venus-Vorbeiflugs ausgeschaltet sein.

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