Internationale Auszeichnung für Dr. Yajie Chen
In seiner Doktorarbeit hat der MPS-Wissenschaftler modelliert, welche Magnetfeldstrukturen in der Sonnenkorona Mini-Strahlungsausbrüche auslösen.
Die Internationale Astronomische Union hat Dr. Yajie Chen vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen mit dem PhD Prize für 2022 in der Kategorie „Sonne und Heliosphäre“ ausgezeichnet. Die weltweite Vereinigung von Astronominnen und Astronomen würdigt damit die Beiträge des jungen Forschers zum Verständnis der Magnetfelder in der Korona, der heißen Atmosphäre der Sonne. Im Rahmen seiner Promotion an der Universität Peking konnte Dr. Yajie Chen unter anderem untersuchen, welche magnetischen Strukturen Mini-Strahlungsausbrüchen in der Korona, so genannten Lagerfeuern, zugrunde liegen. Die ESA-Raumsonde Solar Orbiter hatte dieses Phänomen vor wenigen Jahren erstmals sichtbar gemacht. Auslöser sind offenbar eng benachbarte, gleichgerichtete Magnetfeldlinien, die aufbrechen, sich neu verbinden und dabei Energie freisetzen. Während seiner Promotion war Yajie Chen ein Jahr lang Gast am MPS. Hier entstanden seine wegweisenden Ergebnisse zu den Sonnen-Lagerfeuern.
Die Korona der Sonne ist ein wahrer Hexenkessel. Eingefangen von starken Magnetfeldern strömt dort mehr als eine Million Grad heißes Plasma; immer wieder kommt es zu kleinen und großen Strahlungs- und Teilchenausbrüchen. Während viele Prozesse, die sich in der Korona abspielen noch immer unverstanden sind, ist hingegen klar, dass die dortigen Magnetfelder eine treibende Kraft sind. Diesen nachzuspüren und ihren Einfluss auf die turbulente, äußerste Schicht der Sonne besser zu verstehen, war Ziel der Doktorarbeit von Dr. Yajie Chen.
Doch die Magnetfelder der Korona sind ausgesprochen schwer greifbar: Anders als die Magnetfelder an der sichtbaren Oberfläche, die Raumsonden und bodengebundene Teleskope seit Jahrzehnten routinemäßig aufzeichnen, lassen sie sich nur schwer direkt messen. Eine vielversprechende neue Methode setzt auf das ultraviolette Licht, das zehnfach ionisierte Eisenatome in der Korona emittieren. Die Wellenlänge des abgestrahlten Lichtes wird durch Magnetfelder leicht verändert. In seiner Doktorarbeit konnte Dr. Yajie Chen zeigen, dass sich mit dieser Methode die Magnetfeldstärke in aktiven Regionen, Bereichen mit besonders starken und komplexen Magnetfeldern, verlässlich bestimmen lässt.
Eine weitere Möglichkeit, den Magnetfeldern der heißen Sonnenatmosphäre auf die Schliche zu kommen, sind aufwändige Computersimulationen. Ausgehend von den gemessenen Magnetfeldern an der sichtbaren Oberfläche der Sonne lässt sich das Zusammenspiel aus heißem Plasma und Magnetfeldern in den darüberliegenden Schichten simulieren. Auf diese Weise ist es einer Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, zu der Dr. Yajie Chen gehört, gelungen, erstmals die Prozesse zu modellieren, die zu den sogenannten Sonnen-Lagerfeuer führen.
Bereits in den ersten Monaten der ESA-Mission Solar Orbiter entdeckten Forschende in Aufnahmen der Korona überraschend viele und kleine hell aufblitzende Flecken. Sie entpuppten sich als besonders kleine Strahlungsausbrüche und wurden fortan als „Lagerfeuer“ bezeichnet. Messungen, die Solar Orbiter seitdem aus größerer Nähe zur Sonne durchgeführt hat, bestätigen den Fund. Forschende glauben, dass die Lagerfeuer dazu beitragen, die Korona auf ihre unvorstellbar heißen Temperaturen aufzuheizen. Aufwändige Rechnungen und Datenauswertungen von Dr. Yajie Chen offenbaren nun die magnetische Ursache des Phänomens. Es entsteht dort, wo sich Magnetfeldlinien, die weitestgehend in dieselbe Richtung weisen, neu strukturieren und dabei Energie freisetzen.
Mit derselben Methode wandte sich der Nachwuchswissenschaftler einem weiteren, bisher ungeklärten Phänomen zu: Die Wellenlänge der charakteristischen Strahlung, die Atome in der Korona emittieren, ist gegenüber der von Atomen, die sich in einem weniger extremen Umfeld aufhalten, leicht verschoben. Die Computersimulationen Dr. Yajie Chens beschreiben erstmals das Zusammenwirken aller verantwortlichen Prozesse in einem Modell und zeichnen so ein deutlich klareres Bild des Phänomens als zuvor.
Dr. Yajie Chen hat an der Universität Peking studiert und im Bereich Sonnenphysik promoviert. Im Rahmen seiner Promotion verbrachte er ein Jahr als Gastdoktorand am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. In dieser Zeit entstanden seine Arbeiten zu den Sonnen-Lagerfeuern. Im vergangenen Jahr zeichnete die Universität Peking die Dissertation Yajie Chens mit dem Outstanding Doctoral Dissertation Award aus. Vor kurzem wurde Yajie Chen zudem eines der begehrten Humboldt Postdoctoral Research Fellowships zugesprochen, mit dem er seine Forschungen am MPS fortsetzen wird.
Jede der neun Abteilungen der IAU verleiht jährlich den IAU PhD Prize an eine Nachwuchswissenschaftlerin oder einen Nachwuchswissenschaftler für die weltweit herausragendste Dissertation im jeweiligen Fachgebiet. Da sich die Mitglieder der IAU nur alle drei Jahre zur Generalversammlung treffen, findet die feierliche Übergabe der Auszeichnung an Dr. Yajie Chen erst im nächsten Jahr in Kapstadt (Südafrika) statt.