Schraubenförmige Magnetfelder beschleunigen Sonnenteilchen
Warum spuckt die Sonne manchmal bevorzugt Helium-3 und Eisen ins All? Forscher beobachten erstmals schraubenförmig verdrillte Strahlungsausbrüche als Ursache.
Im April und Juli 2014 schleuderte die Sonne drei Fontänen ins All, die es in sich hatten: Die Teilchenströme enthielten so hohe Mengen an Eisen und Helium-3, einer seltenen Spielart des Edelgases, wie sie bisher nur selten beobachtet wurden. Da sich das außergewöhnliche Feuerwerk auf der Rückseite unseres Sterns ereignete, wurde es nicht sofort entdeckt. Eine Auswertung legen Forscher unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) und des Instituts für Astrophysik der Georg-August-Universität Göttingen jetzt im Fachjournal The Astrophysical Journal vor. Sie basiert auf Daten der Zwillingssonden STEREO A und STEREO B, die sich – damals noch beide in Betrieb – zum entscheidenden Zeitpunkt in günstiger Beobachtungsposition hinter der Sonne befanden. Die Studie belegt erstmals einen Zusammenhang zwischen helium-3- und eisenreichen Teilchenströmen und schraubenförmig verdrillten Ausbrüchen ultravioletter Strahlung in der Atmosphäre der Sonne. Diese könnten die nötige Energie liefern, die Teilchen ins All zu beschleunigen.
Teilchenausbrüche, in denen unser Stern immer wieder explosionsartig eine große Menge geladener und ungeladener Teilchen ins All schleudert, sind noch immer ein Rätsel. Einige dieser Teilchenströme gehen mit heftigen Strahlungsausbrüchen, so genannten Flares, einher und enthalten bis zu 10000-mal mehr Helium-3 und bis zu zehnmal mehr Eisen als die Atmosphäre der Sonne. Warum wird gerade diese ausgesprochen seltene Helium-Variante so effizient ins All beschleunigt? Und warum Eisen? Auf welchem Wege versorgt die Sonne diese Teilchen mit der nötigen Energie, um sie bevorzugt ins All zu katapultieren?
„Die Ereignisse, die sich im April und Juli 2014 auf der Rückseite der Sonne abspielten, waren besonders intensiv und haben uns ungewohnt umfassende Einsichten ermöglicht“, so Dr. Radoslav Bučík vom MPS. Teilchenströme, die so stark angereichert sind mit Helium-3 und schwereren Elementen, treten auf der Sonne nur selten auf – und dann nicht immer an der „richtigen“ Stelle. Die meisten Raumsonden, die die Sonne untersuchen, tun dies in der Nähe der Erde. Ihr Blick gilt deshalb der uns zugewandten Vorderseite der Sonne. Nur die Sonden STEREO A und B, die seit 2006 unseren Stern von entgegengesetzten Seiten umrunden, beobachten seit 2011 auch den uns abgewandten Teil unseres Sterns.
Kurz bevor im Oktober 2014 der Kontakt der Bodenstation STEREO B abriss, wurden beide Sonden Zeuge der „versteckten“ Teilchenausbrüche vom 30. April 2014 sowie vom 17. und 20. Juli 2014. Die Ausbrüche dauerten jeweils bis zu drei Tagen an. „Die Menge an Helium-3 und Eisen war in ihnen so stark erhöht wie in nur einer Handvoll anderer bekannter Ereignisse“, beschreibt Bučík die Messergebnisse.
Während das Ionenteleskope SIT (Suprathermal Ion Telescope) an Bord der STEREO-Sonden die Zusammensetzung der Teilchenströme aufzeichnete, blickten die EUVI-Instrumente (Extreme Ultraviolet Imager), Teile des Instrumentenpakets SECCHI (Sun Earth Connection Coronal and Heliospheric Investigation), auf ihre Ursprungsregionen in der Atmosphäre Sonne. Dort zeigte sich den Wissenschaftlern zwar der typische Anstieg energiereicher, ultravioletter Strahlung, der meist mit Teilchenausbrüchen dieser Art einhergeht, aber in ungewohnter Form: Deutlich ließen sich schraubenartige Bewegungen erkennen.
„Dies ist das erste Mal, dass wir einen solch verdrillten Strahlungsausbruch als Ursprung der helium-3- und eisenreichen Teilchenströme beobachten“, so Bučík. Die Strahlung geht in der Regel von heißem Plasma aus, das sich entlang der ständig wabernden und verändernden magnetischen Feldlinien in der Atmosphäre der Sonne bewegt. Wenn sich diese Feldlinien neu formieren kann es zu einem plötzlichen Freisetzen von Energie kommen. „Die verdrillten Magnetfelder scheinen besonders die Helium-3 und Eisen-Teilchen in der Sonnenatmosphäre effizient mit Energie zu versorgen – ganz ähnlich wie eine gespannte Sprungfeder, die plötzlich losgelassen wird“, so Bučík.
„Nur wenn wir diesen Mechanismus weiter untersuchen, können wir auch andere Ausbrüche unseres Sterns besser verstehen“, so Dr. Nariaki Nitta vom Lockheed Martin Advanced Technology Center in Palo Alto (USA). Dabei richtet sich das Augenmerk der Forscher besonders auf eine weitere Sorte von Teilchenausbrüchen, die so genannten koronalen Masseausbrüche. Die Energie der Teilchen, welche die Sonne bei diesen Ereignissen ins All schleudert, ist sehr hoch. Sie können auf der Erde zu Sonnenstürmen führen, die beispielsweise Satelliten gefährden. In seltenen Fällen, sind auch diese Ausbrüche sehr eisenreich – und dann wegen der Schwere der Teilchen besonders gefährlich. Die Forscher wollen nun der Frage nachgehen, ob diese Eisenteilchen ebenfalls durch schraubenartige Strahlungsausbrüche beschleunigt werden.
Dieses Forschungsprojekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) gefördert.