Jupitermond Europa:
Neue Hinweise auf Wasserfontänen
Aktuelle Rechnungen deuten darauf hin, dass der viertgrößte Jupitermond seine unterirdischen Wasservorkommen ins All ausstößt.
Während eines Vorbeiflugs der NASA-Raumsonde Galileo am Jupitermond Europa vor zwanzig Jahren hat der Trabant möglicherweise eine Wasserfontäne ins All gespuckt. Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, zu denen auch Forscher des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen zählen, haben jetzt neue Hinweise auf dieses Schauspiel gefunden. Am Computer versuchten sie, die damaligen Messdaten des Teilchendetektors, der am MPS und in den USA entwickelt und gebaut wurde, zu reproduzieren. Das gelang nur unter der Annahme, dass eine Wasserfontäne im Spiel war. Mit ihrer Kruste aus gefrorenem Wasser und ihrem unterirdischen Ozean weist Europa Umweltbedingungen auf, die einfaches Leben zulassen könnten. Wasserfontänen böten zukünftigen Jupitermissionen die Möglichkeit, das Wasser des Mondes direkt zu untersuchen.
Innerer Schalenaufbau mit Eisenkern, dünne sauerstoffreiche Atmosphäre, induziertes Magnetfeld – der Jupitermond Europa gleicht eher einem Planeten denn einem primitiven Mond. Eine weitere Besonderheit: Unter der bis zu 18 Kilometern dicken äußeren Kruste aus gefrorenem Wasser verbirgt sich ein unterirdischer, flüssiger Ozean. Mit den neuesten Rechnungen der Forscherinnen und Forscher unter Leitung der europäischen Weltraumagentur (ESA) und des MPS mehren sich nun die Hinweise, dass der viertgrößte der knapp 80 Jupitermonde dieses Wasser zumindest gelegentlich in kryovulkanischen Ausbrüchen ins All abgibt. Ein solches Verhalten ist etwa vom Saturnmond Enceladus bekannt, von dessen Wasserfontänen die NASA-Raumsonde Cassini spektakuläre Aufnahmen einfing.
Vergleichbar überzeugende Beweise dafür, dass auch Europa zu den kryovulkanischen Körpern im Sonnensystem zählt, gibt es bisher nicht. „Verschiedene Theorien, Modellrechnungen und sporadische Beobachtungen legen jedoch nahe, dass auch Europa unterirdisches Wasser ins All schießt“, so Dr. Elias Roussos vom MPS. Hinweise auf eine konkrete Eruption fanden Forscher aus Europa und den USA unabhängig von einander in den vergangenen Jahren. Einige dieser Gruppen werteten Daten des Magnetometers an Bord der NASA-Raumsonde Galileo aus, die ab 1995 acht Jahre lang das Jupitersystem erkundete. Bei einem Vorbeiflug an Europa im Jahre 2000 zeigten die Messdaten Abweichungen im Jupiter-Magnetfeld in der Nähe des Mondes. Diese könnten auf eine Wasserfontäne zurückzuführen sein, die sich während des Vorbeifluges ereignete.
Zusammen mit seinen Kollegen nahm sich ESA-Wissenschaftler Dr. Hans Huybrighs die Messdaten des Vorbeifluges erneut vor – dieses Mal allerdings die des Teilchendetektors EPD (Energetic Particles Detector). Das Instrument wurde am Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins Universität (USA) und am MPS entwickelt und gebaut. EPD zeichnete unter anderem die Verteilung hochenergetischer Protonen auf, die im Jupiter-Magnetfeld gefangen sind.
„Das Magnetfeld des Jupiters ist bis zu zwanzigmal so stark wie das der Erde und reicht mehrere Millionen Kilometer ins All hinaus“, beschreibt MPS-Forscher Dr. Norbert Krupp die Bedingungen im Jupitersystem. Der Jupitermond Europa zieht seine Bahnen innerhalb dieses gewaltigen magnetischen Schutzschildes. Beim Vorbeiflug an Europa im Jahre 2000 verzeichnete EPD deutlich weniger Protonen in der Nähe des Mondes als erwartet. Bisher hatten Forscherinnen und Forscher angenommen, dass der Mond selbst die Sicht des Detektors verstellt hatte.
Die aktuellen Ergebnisse deuten jedoch auf eine weitere Ursache hin. In aufwändigen Computersimulationen modellierten die Forscherinnen und Forscher unter Leitung der ESA und des MPS die Bewegungen der hochenergetischen Protonen während des Vorbeifluges und versuchten so, die Messdaten von EPD zu reproduzieren. Dies gelang jedoch nur unter der Annahme, dass eine Wasserfontäne die Umgebung von Europa beeinflusst hatte. Wenn hochenergetische Protonen auf ungeladene Teilchen aus der Atmosphäre des Mondes oder einer Wasserfontäne treffen, nehmen sie Elektronen von diesen auf und werden so selbst zu ungeladenen Teilchen. „Dadurch sind sie nicht länger im Magnetfeld des Jupiters gefangen und können das System mit hoher Geschwindigkeit verlassen“, erklärt Erstautor Dr. Hans Huybrighs von der ESA.
Für künftige Jupitermissionen böten Europas Wasserfontänen die Möglichkeit, in direkten Kontakt mit dem unterirdischen Wasserreservoir des Mondes zu treten und dieses zu charakterisieren. 2022 startet die ESA-Mission JUICE (Jupiter Icy Moon Explorer) auf ihre Reise zum Jupitersystem. Das MPS stellt für die Mission das Instrument SWI (Submillimeter Wave Instrument) sowie das Jupiter Elektronen- und Ionen-Spektrometer JEI, einen von insgesamt sechs Sensoren von PEP (Particle Environment Package), zur Verfügung. Weiterhin bereitet die NASA die Mission Europa-Clipper vor, die 2023 zum Jupitersystem starten soll. Auch an dieser Mission ist das MPS wissenschaftlich beteiligt.