Ein Geschmack von Sonnenwind und ein Blick auf die Erde
Die MPS-Instrumente an Bord der Jupiter-Raumsonde JUICE haben die Inbetriebnahme im All erfolgreich abgeschlossen – und erste Messdaten geliefert.
Etwa drei Monate nach dem Start der ESA-Raumsonde JUICE ins All haben die wissenschaftlichen Instrumente, die das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen mit auf die lange Reise zum Jupiter schickt, ihre ersten Bewährungsproben bestanden. Beide Instrumente haben bewiesen, dass sie unter Weltraumbedingungen voll funktionstüchtig sind, und erste wissenschaftliche Messdaten zur Erde geschickt. So hat der Jovian Electron and Ion Sensor (JEI) des Particle Environment Package (PEP) Teilchen des Sonnenwindes „geschmeckt“ und das Submillimetre Wave Instrument (SWI) Wasserdampf in der Erdatmosphäre identifiziert. Besonders für SWI verliefen die ersten Schritte im All jedoch ganz anders als erwartet.
Als sich wenige Tage nach dem erfolgreichen Raketenstart Mitte April der 16 Meter lange Antennenausleger des JUICE-Instrumentes Radar for Icy Moon Exploration (RIME) nicht ausklappen ließ, begann auch für das SWI-Team das erste Abenteuer auf dem Weg zum Jupiter. „Teile von SWI und RIME sind an Bord der Raumsonde eng benachbart – und somit eine Art Schicksalsgemeinschaft“, so Dr. Ali Ravanbakhsh vom MPS, Projektmanager des SWI-Instrumentes. Die Bemühungen der ESA und des RIME-Teams, den klemmenden Verschlussstift der Antenne doch noch zu lösen, wirkten sich deshalb auch auf SWI aus. „Alle Schritte musste auch von unserer Seite gut bedacht werden. Deshalb war es nötig, SWI deutlich früher als geplant in Betrieb zu nehmen“, so MPS-Wissenschaftler Dr. Paul Hartogh, wissenschaftlicher Leiter des SWI-Teams. Normalerweise steht der Plan, in welchen Schritten ein Instrument angeschaltet, in Betrieb genommen und getestet wird, Monate im Voraus fest; jetzt war alles anderes – und musste viel schneller gehen.
Zudem kamen Anforderungen auf SWI zu, die ursprünglich nicht vorgesehen waren. Um etwaiges Eis auf dem verklemmten RIME-Mechanismus abzutauen, entschied sich die ESA dafür, die Raumsonde zur Sonne zu drehen. „Eine solches Manöver in solch geringem Abstand zur Sonne war nie Teil des Missionsplans“, so Hartogh. Um sicher zu sein, dass SWI keinen Schaden nehmen würde, musste das SWI-Team so schnell wie möglich modellieren, wie das Instrumente auf die starke Sonneneinstrahlung reagieren würde – und konnte schließlich für das Manöver grünes Licht geben. Als am 12. Mai die RIME-Antenne endlich gelöst werden konnte, war das auch für das SWI-Team eine befreiende Nachricht. „Wir freuen uns sehr, dass wir die Kolleginnen und Kollegen von der ESA und des RIME-Teams unterstützen konnten und dass JUICE vor Ort im Jupitersystem nun sein gesamtes wissenschaftliches Potential wird ausschöpfen können“, so Ravanbakhsh.
Vorsichtiges Herantasten
Trotz der gebotenen Eile und der straffen Zeitpläne ist eine Inbetriebnahme im All immer ein schrittweiser, vorsichtiger Prozess. „Das Instrument muss sich zum ersten Mal unter echten Weltraumbedingungen bewähren. Da will man kein Risiko eingehen und nähert sich erst vorsichtig dem vollen Betriebsmodus an“, so MPS-Wissenschaftler Dr. Markus Fränz vom PEP-JEI-Team. So könnten etwa Gasrückstände vom Bau der Sonde, die im All nach und nach ausgasen, im JEI-Sensor zu Spannungsüberschlägen führen und das Instrument beschädigen. Das Team erhöhte deshalb die Spannungen, mit denen der Sensor betrieben wird, erst schrittweise und fuhr das Instrument auch zunächst sehr langsam und vorsichtig wieder herunter. Mit Erfolg: Mittlerweile ist die Inbetriebnahme von PEP-JEI abgeschlossen; der Sensor konnte sein Können bei niedrigen und mittleren Spannungen unter Beweis stellen. Aus Sicherheitsgründen wird PEP-JEI erst im Januar 2024 mit den höchsten Spannungen betrieben. Auch die anderen fünf Sensoren von PEP haben die Inbetriebnahme erfolgreich beendet.
Für PEP-JEI liegen bereits erste wissenschaftliche Daten vor. So konnten Protonen und Alpha-Teilchen des Sonnenwindes detektiert werden. Der stetige Teilchenstrom von der Sonne umströmt die Raumsonde JUICE ständig auf ihrem Weg zum Jupiter. „Da PEP nicht direkt in Richtung des anströmenden Sonnenwindes schaut, hatten wir mit solchen Messdaten nicht unbedingt gerechnet“, so MPS-Wissenschaftler Dr. Norbert Krupp. „Durch den großen Geschwindigkeitsunterschied zwischen Sonde und Sonnenwind erreichen dennoch einige Teilchen unseren Sensor. Nun wissen wir, dass unser Instrument auch im Weltall funktioniert“, fügt er hinzu.
Auch SWI konnte erste Messungen durchführen. Am 8. Juli hat SWI aus einer Entfernung von etwa 22 Millionen Kilometern erste Wasserdampfspektren der Erdatmosphäre aufgenommen. Aus den Daten lassen sich Informationen über den Temperaturverlauf und die Höhenverteilung des Wasserdampfs ableiten. „Die jüngsten Messdaten von SWI zeigen uns, wie empfindlich das Instrument misst. Wir erwarten deshalb, bereits aus einer Entfernung von mindestens 250 Millionen Kilometern Wasserdampf in der Jupiteratmosphäre nachweisen zu können“, so Hartogh.
„Trotz der umfangreichen Tests, die alle Instrumente vor dem Missionsstart durchlaufen, ist die Inbetriebnahme im All immer auch ein Art Lernprozess“, so MPS-Wissenschaftler Dr. Elias Roussos, der die Kommandos, die das ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt zu PEP-JEI sendete, überwachte. „Wir lernen unser Instrument noch einmal ganz neu kennen.“ Um kleinere Anpassungen vorzunehmen, die eventuell nötig sind, bleibt noch viel Zeit. Erst im Januar nächsten Jahres gibt es für das SWI- und das PEP-JEI-Team wieder Gelegenheit, umfangreichere Tests durchzuführen. Und bis JUICE das Jupitersystem erreicht, vergehen noch acht Jahre.