Von Asteroiden über die Energiewende und Künstliche Intelligenz zu Wunderstoffen im Alltag
Die Vortragsreihe „Wissenschaft beim Göttinger Literaturherbst“ vom 12. bis 21. Oktober 2018 nimmt die Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf eine Reise durch die deutsche und internationale Spitzenforschung.
Acht renommierte Forscherinnen und Forscher sowie Wissenschaftspublizisten werden jeweils um 19 Uhr in der Göttinger Paulinerkirche ihre neuesten Forschungserfolge und Bücher vorstellen und den Bogen von der Mathematik bis zum Artenschutz und zur Schlafforschung spannen. Die Reihe wird auch in diesem Jahr von den Göttinger Max-Planck-Instituten (MPI), der Göttinger Literaturherbst GmbH und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek veranstaltet.
Welchen Einfluss hatte ein Göttinger Mathematiker auf das 20. Jahrhundert? Was verraten uns Asteroiden und Meteoriten über die ferne Vergangenheit und wie lassen sich fatale Einschläge vorhersehen und abwehren? Inwieweit liegt es in unseren Händen, ob Künstliche Intelligenz die Welt zum Guten oder zum Schlechten verändern wird? Diskutiert wird ferner, warum wir die Energiewende jetzt verteidigen müssen. Welche Materialien wurden zu wichtigen Bausteinen unserer Zivilisation und sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken? Wie können wir den rasanten Rückgang der Artenvielfalt stoppen und Tieren und Pflanzen in Deutschland wieder Lebensraum und Nahrung geben? Nicht zuletzt geht es um die Fragen, was der Dreißigjährige Krieg uns über heutige Konflikte weltweit lehren kann und warum Schlafmangel krank machen kann.
Die diesjährige Science Communication-Medaille erhält Mark Miodownik vom University College London (Großbritannien). Dem Materialwissenschaftler gelingt es in seinen Büchern, Fernseh- und Radiobeiträgen mühelos, eine Brücke zu schlagen zwischen dem schwer vorstellbaren Reich der Moleküle und Kristallgitter und unserer Alltagswelt mit ihren unterschiedlichsten, oft überraschenden Stoffen und Materialien. Mit dem richtigen Gespür für das Vorwissen seines jeweiligen Publikums schafft er es immer wieder in bewundernswerter Weise, dieses für Wissenschaft zu begeistern. Für seine allgemeinverständlichen Beiträge und Sendungen über sein Forschungsfeld, die unter anderem regelmäßig auf BBC 2 und BBC 4 zu sehen sind, wurde der Wissenschaftler vielfach ausgezeichnet, darunter mit dem Royal Society Winton Prize for Science Books, dem Communication Award der National Academy of Science, Engineering, and Medicine sowie mit dem Michael Faraday Prize der Royal Society. Frühere Preisträger der Science Communication-Medaille sind David J. C. MacKay, Harald Lesch, Metin Tolan und Douglas R. Hofstadter.
Die Medaille wird Mark Miodownik im Rahmen seines Vortrags am Mittwoch, 17. Oktober, verliehen. Thema des Abends sind Wunderstoffe, die unsere Zivilisation ausmachen: Messer, die nicht rosten, Sonden, die so leicht sind, dass man mit ihnen Jagd auf Sternenstaub machen kann, oder der erste Kunststoff, der als Ersatz für Elfenbein entwickelt wurde. Garantiert ist, dass nach diesem Abend Besucherinnen und Besucher so manches Material in einem anderen Licht sehen werden. Moderiert wird die Veranstaltung von Walter Stühmer vom MPI für Experimentelle Medizin.
Der Auftakt der Reihe am Freitag, 12. Oktober, ist dem „Einstein der Mathematik“ gewidmet: David Hilbert, Professor an der Göttinger Universität, beeinflusste die mathematische Forschung des 20. Jahrhunderts nachhaltig und verwob Logik, Mathematik, Physik und Philosophie enger als je zuvor. Georg von Wallwitz, Chef der Vermögensverwaltung Eyb & Wallwitz und erfolgreicher Buchautor, hat dem Wissenschafts-Genie ein beachtens- und lesenswertes Denkmal gesetzt mit seinem Buch: „Meine Herren, dies ist keine Badeanstalt“ – angelehnt an einen vielzitierten Satz des Mathematikers. Hören Sie im Vortrag, wie Hilbert Göttingen zu seiner Zeit zum mathematischen Zentrum der Welt machte – und was es mit dem Zitat auf sich hat. Durch den Abend führt Eberhard Bodenschatz vom MPI für Dynamik und Selbstorganisation.
„Achtung Steinschlag!“ heißt es am Samstag, 13. Oktober. In seinem Vortrag berichtet der international führende Experte für Asteroiden und Meteoriten Christian Köberl über die neuesten Erkenntnisse zu den gefährlichen Gesteinsbrocken. Wie entstehen diese und was haben wir von ihnen zu befürchten? Lassen sich Meteoriten vorhersehen und abwehren? Antworten darauf gibt der Geochemiker im Vortrag und Gespräch mit Ulrich R. Christensen vom MPI für Sonnensystemforschung.
Als nicht minder bedrohlich als ein Meteoriteneinschlag empfinden viele von uns Maschinen, die können, was der Mensch kann – Sprachassistenten, die mitreden, Geräte, die Gesichter erkennen oder Fahrzeuge, die sich selbst steuern. Längst haben Roboter und intelligente Systeme Einzug in unser tägliches Leben gehalten. In ihrem Vortrag „Künstliche Intelligenz“ am Sonntag, 14. Oktober, möchte die Philosophin Manuela Lenzen aufzeigen, welche Hoffnungen und Befürchtungen berechtigt sind. Die Gesellschaft solle mit gesundem Menschenverstand ihre Zukunft gestalten, mahnt sie. Was ist Künstliche Intelligenz, was kann sie leisten, und wo sind ihre Grenzen? Patrick Cramer vom MPI für biophysikalische Chemie führt durch den Abend.
Warum wir die Energiewende jetzt verteidigen müssen, erklärt Claudia Kemfert in ihrem Vortrag am Montag, 15. Oktober. Als Expertin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit kennt sie die Zahlen und Fakten zum Klimawandel. Sie rechnet der Welt vor, was der Klimawandel kostet, und berät Unternehmen, Politiker, die Weltbank und die Vereinten Nationen in Fragen zu Energie, Verkehr und Umwelt. Moderiert von Patrick Cramer vom MPI für biophysikalische Chemie zeigt sie auf, was im Kampf zwischen fossilen Brennstoffen und erneuerbaren Energien Fakt ist und was Propaganda – und was der Einzelne tun kann, um die Klimakatastrophe aufzuhalten.
Unsere Natur ist bedroht: Arten sterben aus, schlägt der renommierte Ornithologe Peter Berthold Alarm. Deutschland hat innerhalb weniger Jahrzehnte einen Großteil seiner Pflanzen und Tiere verloren. Vor allem bei Vögeln und Insekten sind die Rückgänge erschreckend. Schon Anfang der 1960er Jahre warnte die amerikanische Biologin Rachel Carson in einem Buch vor einem stummen Frühling. Ein halbes Jahrhundert später könnte diese Vision Realität werden, wenn wir der Natur nicht wieder Raum zur Entfaltung geben, fürchtet Berthold. Mit der Heinz Sielmann Stiftung brachte der emeritierte Direktor am MPI für Ornithologie 2003 sein deutschlandweites Projekt auf den Weg, Flächen zu renaturieren, die für die Landwirtschaft wenig ertragreich sind – und dies in allen Gemeinden Deutschlands. Sein Ziel: ein bundesweiter Biotopverbund! Wie sich das Projekt realisieren lässt und wie eine vielversprechende Naturschutzstrategie aussehen könnte, um den Artenschwund aufzuhalten, darüber berichtet er in seinem Vortrag am Donnerstag, 18. Oktober, im Gespräch mit Herbert Jäckle vom MPI für biophysikalische Chemie.
Was können wir vom Dreißigjährigen Krieg über heutige Konflikte und Kriege lernen? Herfried Münkler, Professor für Politikwissenschaften an der Berliner Humboldt-Universität, führt in seinem Vortrag am Freitag, 19. Oktober, den verheerenden Krieg in all seinen Aspekten vor Augen, behält dabei aber immer unsere Gegenwart im Blick. Gekonnt vereint Münkler dabei Geschichtsschreibung und politische Analyse des längsten und blutigsten Religionskriegs der europäischen Geschichte. Theo Geisel vom MPI für Dynamik und Selbstorganisation moderiert den Abend.
Unsere Gesellschaft ist übermüdet, warnt Ingo Fietze. Im letzten Vortrag der Reihe am Sonntag, 21. Oktober, belegt der Schlafmediziner und Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums an der Berliner Charité überzeugend: Schlafmangel ist ein Gesundheitsrisiko. Rund 80 Prozent aller deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leiden an Schlafstörungen. Oft jedoch ist dieses Leid selbstverschuldet, denn am Schlaf wird gern gespart. Im Gespräch mit Frauke Alves vom MPI für Experimentelle Medizin berichtet Fietze über den viel zu sorglosen Umgang mit einem massiv unterschätzten Gesellschaftsproblem und welche Folgen dies hat.
Das Programm „Wissenschaft beim Göttinger Literaturherbst“ im Überblick:
12.-21. Oktober 2018, jeweils 19 Uhr
Veranstaltungsort: Paulinerkirche, Papendiek 14, 37073 Göttingen
Fr., 12. Oktober 2018
Georg von Wallwitz
Meine Herren, dies ist keine Badeanstalt
Moderation: Eberhard Bodenschatz, MPI für Dynamik und Selbstorganisation
Sa., 13. Oktober 2018
Christian Köberl
Achtung Steinschlag!
Moderation: Ulrich R. Christensen, MPI für Sonnensystemforschung
So., 14. Oktober 2018
Manuela Lenzen
Künstliche Intelligenz
Moderation: Patrick Cramer, MPI für biophysikalische Chemie
Mo., 15. Oktober 2018
Claudia Kemfert
Das fossile Imperium schlägt zurück
Moderation: Patrick Cramer, MPI für biophysikalische Chemie
Mi., 17. Oktober 2018
Mark Miodownik
Wunderstoffe: Zehn Materialien, die unsere Zivilisation ausmachen
Moderation: Walter Stühmer, MPI für Experimentelle Medizin
Do., 18. Oktober 2018
Peter Berthold
Jeder Gemeinde ihr Biotop
Moderation: Herbert Jäckle, MPI für biophysikalische Chemie
Fr., 19. Oktober 2018
Herfried Münkler
Der Dreißigjährige Krieg
Moderation: Theo Geisel, MPI für Dynamik und Selbstorganisation
So., 21. Oktober 2018
Ingo Fietze
Die übermüdete Gesellschaft
Moderation: Frauke Alves, MPI für Experimentelle Medizin
Karten gibt es unter www.literaturherbst.com, im Festivalbüro des Göttinger Literaturherbstes in der Hospitalstraße 12 sowie bei allen an Reservix angeschlossenen Vorverkaufsstellen in Deutschland.