Von alten und neuen Herausforderungen für die Menschheit

Auch in diesem Herbst bietet die Vortragsreihe „Wissenschaft beim Göttinger Literaturherbst“ eindrucksvolle Einblicke in die Welt der Spitzenforschung.

14. September 2021

Vom 29. Oktober bis 6. November präsentieren neun international renommierte Forscher*innen in der Paulinerkirche ihre neuesten Erkenntnisse zu aktuellen Themen der Wissenschaft. Auf einer Zeitreise erfährt das Publikum vor Ort oder virtuell, welche Rolle Holz für die Entwicklung der Menschheit spielte und wie das Wissen der Himmelscheibe von Nebra nach Mitteleuropa kam. Ein Überblick über Schwarze Löcher und die Geschichte des Universums sowie eine Orientierungshilfe für unsere komplexer werdende Welt im 21. Jahrhundert führt neugierige Zuhörer*innen bis in die heutige Zeit. Beiträge zu aktuellen Herausforderungen durch Klimawandel, nationalen Krisen, Pandemien und Gesellschaftswandel sowie mögliche Zukunftsperspektiven vervollständigen die Vortragsreihe.

Den Anfang macht am 29. Oktober Physikerin und Klimaforscherin Friederike Otto, stellvertretende Direktorin des Environmental Change Institute der Universität Oxford (England). Ihr Forschungsschwerpunkt gilt Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Stürmen und Überflutungen. Was ist noch normales Wetter und welche Ereignisse sind schon Folgen des Klimawandels? Wie wäre unser Wetter heute ohne menschliche Einflüsse? Solche Fragen bespricht die Wissenschaftlerin in ihrem Buch Wütendes Wetter (Ullstein Verlag, 2019), dass sie in ihrem Vortrag vorstellt.

Neben dem Klimawandel stehen wir im 21. Jahrhundert auch vielen anderen Herausforderungen gegenüber. Unsere Welt wird immer komplexer. Um die Übersicht zu behalten, müssen wir sie daher als Ganzes in den Blick nehmen. In seinem Buch Im Wald vor lauter Bäumen: Unsere komplexe Welt besser verstehen (Deutscher Taschenbuch Verlag, 2021) betrachtet Komplexitätswissenschaftler Dirk Brockmann die Krisen unserer Zeit und sucht nach Parallelen zu natürlichen Phänomenen. Am 30. Oktober teilt der Physiker vom Institut für Biologie der Humboldt-Universität zu Berlin und dem Robert Koch-Institut seine neuesten Erkenntnisse mit dem Publikum des Literaturherbsts.

Seit eineinhalb Jahren hat das Coronavirus SARS-CoV-2 unseren Alltag fest im Griff. Derartige Pandemien drohen auch in Zukunft. Um sie zu verhindern oder einzudämmen, bedarf es deutlicher Änderungen im Umgang mit ihnen. Am 31. Oktober stellt Stefan H.E. Kaufmann, Infektionsbiologe und Direktor Emeritus am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin und am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, sein Buch COVID-19 und die Bedrohungen durch Pandemien (HLZ, 2020) vor. Darin warnt er vor den Gefahren durch Pandemien und bietet zugleich Lösungsvorschläge zur Früherkennung und zur schnellen Eindämmung neuer Krankheitserreger.

Bei Naika Foroutan, Professorin für Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik an der Humboldt-Universität zu Berlin, geht es um die neue soziale Frage – die Migrationsfrage. Etwa ein Viertel aller deutschen Bürger*innen hat einen Migrationshintergrund. Und doch herrschen weiterhin mangelnde Anerkennung und fehlende Chancengleichheit für verschiedene gesellschaftliche Gruppen. Im ihrem Buch Die postmigrantische Gesellschaft: Ein Versprechen der pluralen Demokratie? (transcript Verlag, 2019) und bei ihrem Vortrag am 1. November erläutert die Migrationsforscherin, wie wir Zugehörigkeiten, nationale Identitäten und Chancengerechtigkeit in unserer Gesellschaft verhandeln und justieren können.

Nicht nur unsere Gesellschaft ist im Wandel. Auch unsere Umwelt, Wirtschaft, Politik und Technologie verändern sich stetig. Maja Göpel ist sich sicher, die Art wie wir Leben wird sich fundamental ändern und wir müssen uns auf diese neue Lebensweise einstellen. Die Politökonomin und Nachhaltigkeitswissenschaftlerin ist Honorarprofessorin an der Leuphana Universität Lüneburg und arbeitet an der Schnittstelle von Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Am 2. November stellt sie ihr Buch „Unsere Welt neu denken" (Ullstein Verlag, 2020) vor.

Maja Göpel ist die diesjährige Preisträgerin der Science Communication-Medaille. Seit 2014 zeichnet die Wissenschaftsreihe des Literaturherbsts damit jährlich Forschende aus, die sich in besonderem Maße dafür eingesetzt haben, aktuelle Forschungsergebnisse in die Öffentlichkeit zu tragen. Frau Göpel ist Mitbegründerin der „Scientists for Future“-Initiative und beteiligt sich aktiv an der Aufklärung und Debatte rundum Klimapolitik und gesellschaftlichen Wandel. 2021 verließ sie ihre Position als Wissenschaftliche Direktorin am Hamburger The New Institute, um ihre Zeit noch stärker den vielfältigen Aufgaben im Bereich Wissenschaftskommunikation zu widmen.

Auch am sechsten Abend der Vortragsreihe erhält das Publikum einen hoffnungsvollen Blick auf die Zukunft. In seinem Buch „Krise. Wie Nationen sich erneuern können“ (S. Fischer Verlag, 2019) beschreibt der Evolutionsbiologe und Anthropologe Jared Diamond wie Nationen ihre aktuellen Krisen erfolgreich bewältigen können. Selbst für den Umgang mit tiefgreifenden Schocks hat der Pulitzer-Preisträger einen Ansatz. Demnach sind bei der nationalen Krisenbewältigung ähnliche Faktoren ausschlaggebend wie beim Umgang mit individuellen Traumata. Mehr dazu erzählt er bei seinem englischsprachigen Vortrag am 3. November.

Am 4. November entführt Heino Falcke, Professor für Astrophysik und Radioastronomie an der Radboud-Universität Nijmegen (Niederlande), das Publikum ins Weltall. Auf seine Initiative entstand das Event Horizon Telescope, ein weltumspannendes Netz von Radioteleskopen, das 2019 erstmals ein Schwarzes Lochs abbildete. In „Licht im Dunkeln: Schwarze Löcher, das Universum und wir“ (Klett-Cotta-Verlag, 2020) zeichnet er den langen Weg zum Sensationsbild nach. Außerdem gibt er einen Einblick in die Geschichte unseres Universums und beschäftigt sich mit der Frage nach uns Menschen und einem Gott in diesem unendlichen Weltall.

Auch der Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, Harald Meller, befasst sich mit dem Weltall, allerdings aus einer ganz anderen Perspektive. Er leitet die Erforschung der Himmelscheibe von Nebra – der weltweit ältesten konkreten Himmelsdarstellung. In seinem Werk „Griff nach den Sternen: Nebra, Stonehenge, Babylon“ (Propyläen Verlag, 2021) begibt er sich auf die Reise zu den bronzezeitlichen Zivilisationen Europas und Vorderasiens und präsentiert die neuesten Erkenntnisse darüber, wie das astronomische Wissen, das in der Himmelsscheibe kodiert ist, nach Nebra gelangt sein könnte. Am 5. November erläutert er seine Einblicke vor Publikum.

Zum Abschluss der Vortragsreihe führt Biologe Roland Ennos seine Zuhörenden am 6. November im wahrsten Sinne des Wortes „back to the roots“. Der Gastprofessor an der Universität Hull (England) stellt in seinem englischsprachigen Vortrag sein Buch „The Age of Wood“ vor, in dem er die bisher unterschätzte Rolle schildert, die Holz in der gesamten Menschheitsgeschichte gespielt hat. Frühe Kulturen setzten es als einfache Waffen ein, bis sie lernten mit Holz Feuer zu machen und Hütten zu bauen. Heutzutage wird es durch Waldbrände zerstört und Bäume werden von Menschenhand auf großen Flächen abgeholzt. Ennos lässt sein Publikum die Menschheitsgeschichte von einem ganz anderen Blickwinkel betrachten.
Über „Wissenschaft beim Göttinger Literaturherbst“

Seit 2007 veranstalten die fünf Göttinger Max-Planck-Institute die Vortragsreihe gemeinsam mit der Göttinger Literaturherbst GmbH und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek. Die Moderator*innen der einzelnen Vorträge stellen die Institute. Tickets gibt es unter www.literaturherbst.com sowie bei allen an Reservix angeschlossenen Vorverkaufsstellen.

 

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