Die Glorie der Venus

Eine regenbogenartige Lichterscheinung auf der Wolkendecke der Venus hilft, die Bestandteile der ätzenden Wolken zu identifizieren.

11. März 2014

Über den Wolken werden Flugreisende gelegentlich Zeuge einer Glorie: einer Lichterscheinung wie eine Art ringförmiger Regenbogen. Verantwortlich für dieses Phänomen sind die Tröpfchen in den Wolken, die das Sonnenlicht streuen. Wissenschaftler unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) haben nun erstmals eine Glorie auf einem fremden Planeten, der Venus, aufgenommen. Sie werteten dafür Bilder der ESA-Raumsonde Venus Express aus. Die Kameradaten zeigen zudem, dass die ätzende Schwefelsäure in den Wolken der Venus möglicherweise zusätzlich reinen Schwefel oder Eisenchlorid enthält – und könnten so helfen, eines der ältesten Rätsel der Venusforschung zu lösen.

Der Schleier aus Wolken, der die Venus umgibt, ist ebenso schön wie lebensfeindlich: Ätzende Schwefelsäure bildet ihren Hauptbestandteil. Zusammen mit der dichten Atmosphäre, die in erster Linie aus Kohlendioxid besteht, sorgt die Wolkendecke für einen extremen Treibhauseffekt: Auf der Oberfläche des Planeten herrschen Temperaturen von mehr als 400 Grad. Die genaue Zusammensetzung der cremig-gelben Wolken ist noch immer unklar. Bereits vor fast 90 Jahren hatten bodengebundene Beobachtungen gezeigt, dass die Wolken ultraviolettes Licht bestimmter Wellenlängen schlucken. Schwefelsäure allein kann für diesen Effekt nicht verantwortlich sein.

Mögliche Kandidaten für den unbekannten Stoff gab es seitdem reichlich: Bromwasserstoffsäure, amorpher Schwefel, gasförmiges Chlor und sogar Bakterien wurden ins Spiel gebracht. Doch Gewissheit gab es nicht. Hilfe kommt nun von der Venus selbst. Denn die Glorie, die sich deutlich in den Daten des Kamerasystems Venus Monitoring Camera der ESA-Raumsonde Venus Express abzeichnet, kann nur unter sehr speziellen Bedingungen entstehen: So müssen die Tröpfchen (oder möglicherweise festen Kristalle) in den Wolken absolut kugelförmig und von einheitlicher Größe sein. Die Breite der konzentrischen Ringe sowie ihre relativen Intensitäten erlauben dann Rückschlüsse auf Brechungseigenschaften und Größe. 

Die wichtigste Voraussetzung, um eine Glorie zu beobachten, sei der richtige Beobachtungsstandort, erklärt Dr. Wojciech Markiewicz vom MPS, Erstautor der neuen Studie. Das gelte sowohl auf der Erde als auch auf der Venus. Der Beobachter müsse sich genau auf einer Linie zwischen Wolke und Sonne befinden. Die Tröpfchen in den Wolken streuen das Licht der Sonne zurück; dem Beobachter zeigt sich der eigene Schatten auf der Wolkendecke umgeben von farbigen, konzentrischen Kreisen.

Seit April 2011 wurde die Raumsonde Venus Express, die seit 2006 um unseren Schwesterplaneten kreist, mehr als zwölfmal an einen geeigneten Beobachtungsstandort manövriert. „Auch in unserem Bild würde sich im Zentrum der Glorie eigentlich der Schatten des Beobachters, also der Raumsonde, zeigen“, erklärt Markiewicz. Allerdings trennten ungefähr 6000 Kilometer Sonde und Wolkendecke. Aus dieser Entfernung erscheint der Schatten der nur wenige Meter großen Sonde so klein, dass die Kamera ihn nicht auflösen kann.

Das Bild ist nicht nur eindrucksvoll, sondern auch von hohem wissenschaftlichem Wert. Am Computer simulierten die Forscher die optischen Vorgänge, welche die Glorie entstehen lassen, und versuchten so, die Erscheinung genau zu rekonstruieren. Dabei variierten sie Parameter wie Größe und Brechungsindex der Tröpfchen. „In unseren Rechnungen lässt sich die Glorie, die wir beobachtet haben, mit reiner Schwefelsäure nicht reproduzieren“, so Markiewicz. Die Rechnungen zeigen, dass ein weiterer Stoff im Spiel sein muss. Möglicherweise ist dies der seit Langem gesuchte unbekannte UV-Absorber. Besonders Schwefelsäure-Tröpfchen mit einem Kern aus Eisenchlorid oder einer äußeren Schicht aus reinem Schwefel erwiesen sich als vielversprechende Kandidaten.

Venus Express ist eine Mission der Europäischen Weltraumagentur ESA. Die Raumsonde startete 2005 ins All und erforscht seit 2006 die Venus. Mit an Bord befindet sich die Venus Monitoring Camera, die unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung entwickelt und gebaut wurde.  

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