SFB 963 Astrophysikalische Strömungsinstabilität und Turbulenz

SFB 963 Astrophysikalische Strömungsinstabilität und Turbulenz

Strömungsphysikalische Prozesse sind in der Astrophysik allgegenwärtige Phänomene, die auf ganz unterschiedlichen Längenskalen und unter ganz unterschiedlichen Bedingungen ablaufen. Sie erstrecken sich von sehr hohen Dichten im Inneren von Sternen und Planeten bis hin zu extrem geringen Dichten im intergalaktischen Medium. Diese Strömungen sind im Allgemeinen turbulent, d.h. in hohem Maße ungeordnet in Ort und Zeit. In vielen Fällen entstehen dabei große Geschwindigkeits- und Druckgradienten, die eine wichtige Rolle bei Transportprozessen spielen. Turbulente Strömungen stellen so einen Schlüsselprozess für die Entstehung und Entwicklung einer Vielzahl von Geo- und Astrophysikalischen Systemen dar, wobei Rotation, Konvektion oder Magnetfelder involviert sein können. Die Universalität der astrophysikalischen Turbulenz verbindet somit die Physik des Inneren von Planeten und Sternen mit Akkretionsscheiben und dem intergalaktischen Gas. Drehimpulstransport durch Turbulenz spielt eine entscheidende Rolle bei der Bildung von Galaxien und Sternen, bei der Durchmischung des interstellaren sowie intergalaktischen Mediums genauso, wie bei der Entwicklung von Akkretionsscheiben oder der differentiellen Rotation von sonnenähnlichen Sternen. Die Verstärkung von Magnetfeldern durch turbulente Dynamoprozesse ist ein ähnlich universelles Phänomen und kann in Planeten, Sternen und Galaxien studiert werden. Strömungsinstabilitäten, zum Beispiel hervorgerufen durch Staubbildung oder junge Planeten in proto-planetaren Scheiben, können die Entwicklung astrophysikalischer Systeme maßgeblich beeinflussen. Turbulenz und Strömungsinstabilitäten spielen darüber hinaus auch bei unterschiedlichen Wechselwirkungsprozessen eine Rolle, zum Beispiel bei der Energiedissipation durch Gezeiten.
Durch die Zusammenstellung der Projekte in diesem Sonderforschungsbereich können wir verschiedene Aspekte der turbulenten Erzeugung und Verstärkung von Magnetfeldern, der Turbulenz und Instabilität in rotierenden Systemen sowie des Zusammenspiels von Turbulenz und Strömungsinstabilität mit Gravitation, Strahlung und Staubteilchen untersuchen und somit grundlegende Fragen im Zusammenhang mit der Entstehung und Entwicklung von Planeten, Sternen und Galaxien angehen.

Teilprojekte mit Beteiligung der Abteilung "Sonne und Heliosphäre" des MPS:

A2 Von solaren zu heliosphärischen Instabilitäten (Joerg Buechner, MPS und Volker Bothmer, Institut für Astrophysik der Universität Göttingen)

Aktuelle Weltraummissionen ermöglichen zurzeit erstmals die kontinuierliche Beobachtung der Entstehung und Ausbreitung koronaler Massenauswürfe (coronal mass ejections, CMEs) von der Sonne bis über den Erdorbit hinaus. Projekt A2 wird die Rolle magnetischer Rekonnexionsprozesse für die Entstehung und Beschleunigung von CMEs klären helfen, in dem die aktuellen Sonnen- und Heliosphärenbeobachtungen als Eingabeparameter für das 3D MHD Programm LINMOD3D verwendet werden. Die komplementäre Analyse der Modellergebnisse und der aus den direkt beobachteten CMEs und zugehörigen Stoßwellen abgeleiteten Turbulenzparameter wird zu einem fundamental neuen Verständnis um die Erzeugung heliospärischer Instabilitäten durch CMEs führen.

A15 Simulation der Rekonnexion und Dynamoprozesse in turbulenten Plasmen (Joerg Buechner, MPS und Wolfram Schmidt, Institut für Astrophysik der Universität Göttingen)

Die makroskopischen Phänomene Dynamo und Rekonnexion erfordern mikroskopische Dissipation. Da astrophysikalische Plasmen in der Regel heiß und verdünnt sind, genügen binäre Teilchenstöße nicht, makroskopische Bewegung irreversibel in Wärme zu verwandeln. Stattdessen koppelt wohl Turbulenz Bewegungen an mikroskopische stoßfreie Energiedissipation. Die Natur magnetischer Turbulenz und ihrer Folgen für Dynamo und Rekonnexion sind fundamental offen, sowohl wegen der inhärenten Nichtlinearitäten als auch ihrer nicht-lokalen Wirkung über viele Größenordnungen hinweg. Wir behandeln diese Fragen mit Hilfe fortgeschrittener numerischer Simulationsmethoden.

A16 Ursprung und Struktur von Magnetfeldern in kühlen Sternen (Manfred Schuessler, MPS und Ansgar Reiners, Institut für Astrophysik der Universität Göttingen)

Die Entstehung von Magnetfeldern in kühlen Sternen, ihre Auswirkung auf Sternatmosphären und auf die Entstehung von Planeten sind offene Probleme der stellaren Astrophysik. Die Erzeugung von magnetischem Fluss in elektrisch leitenden Strömungen und turbulenter Bewegung ist von fundamentalem Interesse für unser Verständnis magnetohydrodynamischer Turbulenz bei hohen Reynolds-Zahlen. Unser Projekt ist ein interdisziplinärer Ansatz zum Verständnis der Auswirkungen von stellaren Oberflächenmagnetfeldern und ihrer astrophysikalischen und turbulenten Eigenschaften, einerseits durch MHD und Magneto-konvektionssimulationen, und andererseits durch quantitative Messung von Magnetfeldern in unterschiedlichen Sternen von sonnenähnlichen zu massearmen Sternen.

(Quelle: https://www.uni-goettingen.de/de/215327.html)

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