Hohe Auszeichnung für MPS-Direktor

Prof. Dr. Sami K. Solanki erhält den George Ellery Hale-Preis der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft.

10. August 2022

Die Amerikanische Astronomische Gesellschaft (AAS) hat Prof. Dr. Sami K. Solanki, Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen, mit einer hohen Auszeichnung geehrt: Die AAS-Abteilung Solar Physics Division (SPD) hat den Göttinger Forscher zum diesjährigen Träger des George Ellery Hale-Preises ernannt. Der Preis, der ausgewählte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für langjährige und wegweisende Beiträge zur Erforschung der Sonne auszeichnet, wurde jetzt im Rahmen der Fachtagung Triennial Earth-Sun Summit (TESS2022) im amerikanischen Seattle feierlich überreicht. Die SPD würdigt auf diese Weise Solankis Beiträge zum Verständnis, wie die magnetischen Eigenschaften unseres Sterns seine dynamische und veränderliche Natur bestimmen und wie sich diese auf das Klima der Erde auswirkt. Zudem würdigt die SPD Solankis Wirken für die Entwicklung von Weltrauminstrumenten und Missionen zur Erforschung der Sonne.

Im kosmischen Vergleich macht die Sonne nicht viel her: Größe, Oberflächentemperatur und Alter liegen im Vergleich zu anderen Sternen im Mittelfeld. Der Blick von Prof. Dr. Sami K. Solanki auf sein Forschungsobjekt ist ein anderer. „Die Sonne ist faszinierend, wunderschön, dynamisch – und macht Spaß“, sagte er gestern in den einleitenden Worten seines Vortrags anlässlich der Verleihung des George Ellery Hale-Preises in Seattle.

Für Solanki und andere irdische Astronomen bietet der Stern im Zentrum unseres Sonnensystems zudem einen weiteren, entscheidenden Vorteil gegenüber ihren kosmischen Geschwistern: Sie ist nah. Die „nur“ 150 Millionen Kilometer, welche die Erde von der Sonne trennen, machen es möglich, mit erdgebundenen Teleskopen und Raumsonden im All einzelne Strukturen und Vorgänge auf der Sonne sichtbar zu machen. Simulationen am Computer lassen sich anhand dieser Messdaten überprüfen – und unser Stern auf diese Weise besser verstehen als jeder andere.

Magnetischer Stern

Genauer als bei anderen Sternen können Forscherinnen und Forscher etwa dem dynamischen und wechselhaften Wesen unseres Sterns nachspüren. Dieses bildet das Herzstück von Solankis Forschungsinteresse. Durch welche dynamischen Prozesse gelingt es der Sonne, ihre äußere Hülle, die Korona, auf mehr als eine Million Grad aufzuheizen und von dort immer wieder in gewaltigen Ausbrüchen Teilchen und Strahlung ins All zu schleudern? Wie entstehen und entwickeln sich dunkle und helle Gebiete auf der Sonnenoberfläche und wie beeinflussen sie die Helligkeitsschwankungen der Sonne? Wie haben diese Helligkeitsschwankungen das Klima auf der Erde in der Vergangenheit beeinflusst?

„Die Antwort auf all diese Fragen finden sich im komplexen und veränderlichen Magnetfeld der Sonne“, so Solanki. Es entsteht tief in ihrem Innern. Von dort werden die Magnetfelder an die sichtbare Oberfläche der Sonne gespült und setzen sich bis in ihre Atmosphäre, die Chromosphäre und Korona, fort.

Aus Weltall und Stratosphäre auf die Sonne schauen

In diese hochdynamische Region zwischen der Oberfläche der Sonne und ihrer äußersten Hülle blicken die vier wissenschaftlichen Instrumente der ESA-Raumsonde Solar Orbiter, zu denen das MPS unter Solankis Führung zu vier Teleskopen maßgeblich beigetragen hat. Die Sonde hat im März dieses Jahres ihren bisher sonnennächsten Punkt erreicht und aus einer Entfernung von nur 48 Millionen Kilometern einmalige Messdaten aufgenommen.

So konnte das Solar Orbiter-Instrument EUI (Extreme-Ultraviolet Imager) die bisher höchstaufgelösten Aufnahmen der Sonnenkorona einfangen und unter anderem Mini-Strahlungsausbrüche aufspüren, die möglicherweise zu den unfassbar hohen Temperaturen in der Korona von zum Teil mehr als eine Million Grad beitragen. Hinweise auf die magnetischen Vorgänge, die solchen Mini-Strahlungsausbrüche zu Grunde liegen, geben Messdaten von Solar Orbiters Doppelteleskop PHI (Polarimetric and Helioseismic Imager), das unter Leitung des MPS entwickelt und gebaut wurde und dem Solanki vorsteht. Die Untersuchungen stehen noch am Anfang, doch viel spricht dafür, dass Umstrukturierungen in den kleinskaligen Magnetfeldern der Sonnenoberfläche die notwendige Energie für die Strahlungsausbrüche freisetzen.

Ebenfalls in die Region zwischen Oberfläche und äußerer Atmosphäre der Sonne schaut die Ballonmission Sunrise, die Solanki ins Leben gerufen hat. Das ballongetragene, mehr als sieben Meter hohe Sonnenobservatorium blickt aus der Stratosphäre auf die Sonne und hat so – anders als erdgebundene Teleskope – Zugang zu ihrer ultravioletten Strahlung. „Sunrise ist eine völlig neue Art, die Sonne zu erforschen“, so Solanki. Breits zweimal hat sich das Konzept bewährt: 2009 und 2013 konnte das Observatorium, ausgerüstet mit Teleskop, drei wissenschaftlichen Instrumenten und einem System zur Bildstabilisierung, der Sonne während mehrtägiger Stratosphärenflüge einzigartige Informationen entlocken.

Der für diesen Sommer vorbereitete, dritte Flug musste wenige Stunden nach dem Start wegen technischer Schwierigkeiten abgebrochen werden. Das Team sucht nun nach einer Möglichkeit erneut zu starten und so das einzigartige Potential von Sunrise erneut auszuschöpfen. Gegenüber seinen Vorgängern ist Sunrise III mit neu entwickelten Instrumenten ausgestattet, welche die Vorgänge in der Chromosphäre mit bisher unerreichter Höhenauflösung abbilden können. 

Solare Geschichtsforschung

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt Solankis ist der Einfluss der Sonne auf das irdische Klima. Um diesen zu verstehen ist es notwendig, die Helligkeitsschwankungen der Sonne über möglichst lange Zeiträume zu rekonstruieren und mit den irdischen Temperaturen im selben Zeitraum zu vergleichen. Dabei helfen historische Aufzeichnungen und Messdaten von der Sonne sowie natürliche Zeugnisse der Sonnenaktivität, die etwa in der Konzentration radioaktiver Elemente in Baumringen oder Eisbohrkernen „archiviert“ sind. Auf diese Weise zeigt sich, dass die Helligkeitsschwankungen der Sonne in den vergangenen Jahrtausenden mit im Mittel weniger als einem Zehntel Prozent zwar recht klein waren, sich aber durchaus in den Temperaturen auf der Erde niederschlugen. Erst seit wenigen Jahrzehnten steigen die irdischen Temperaturen ohne Zutun der Sonne an.

„Die Lebensphase der Sonne, für die wir ihre Helligkeitsschwankungen rekonstruieren können, ist sehr klein im Vergleich zu ihrem gesamten Alter“, gibt Solanki zu bedenken. Was war davor? In einer vielbeachteten Studie konnte ein Forscherteam um Solanki das Verhalten der Sonne mit dem hunderter ähnlicher Sterne vergleichen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden, dass die Helligkeit anderer Sterne bis zu fünfmal so stark schwankt wie die der Sonne. Es ist deshalb durchaus denkbar, dass unser Stern zu einem deutlich größeren Feuerwerk fähig ist und nur seit einigen Jahrtausenden eine ungewöhnlich ruhige Phase durchläuft. Oder gehört die Sonne grundsätzlich zu den stellaren Schlafmützen? Diese Frage bleibt weiterhin ein Gegenstand intensivster Forschung.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Sami K. Solanki hat an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich (Schweiz) studiert und promoviert. Nach Forschungsaufenthalten in Zürich und an der Universität von St. Andrews in Schottland nahm er 1998 einen Ruf an die Universität Oulu in Finnland an. Ein Jahr später wechselte er als Direktor an das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (damals noch: Max-Planck-Institut für Aeronomie) nach Deutschland. Zwischen 2009 und 2021 war er zudem Professor an der School of Space Research der Kyung Hee Universität in Südkorea. Zu den vielen Auszeichnungen Solankis zählen die Georg Bartels Medaille der European Geoscience Union (2015) und die Ehrendoktorwürde der Universität Oulu (2017). Professor Solanki ist Chefherausgeber des Open Access Journals „Living Reviews in Solar Physics“.

Die mehr als 8000 Mitglieder starke Amerikanische Astronomische Gesellschaft (American Astronomical Society, AAS) ist in sechs Abteilungen gegliedert. Die Solar Physics Division (SPD), die der Sonnenforschung gewidmete Abteilung, vergibt jährlich den George Ellery Hale-Preis an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die über einen langen Zeitraum auf herausragende Weise zur Sonnenforschung beigetragen haben. Die Auszeichnung ist benannt nach dem amerikanischen Astronomen George Ellery Hale, der im frühen 20. Jahrhundert unter anderem entdeckte, dass die dunklen Sonnenflecken auf der Sonne mit außergewöhnlich starken Magnetfeldern einhergehen.  

 

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