BepiColombo: Erster Blick auf den Merkur

Beim ersten Vorbeiflug der europäisch-japanischen Doppelsonde konnten die Messinstrumente ihre künftige Arbeitsumgebung erstmals in Augenschein nehmen.

6. Oktober 2021

In einem Abstand von nur 199 Kilometern ist die europäisch-japanische Doppelsonde BepiColombo am vergangenen Samstag, 2. Oktober, am Merkur vorbeigeflogen. Es war die erste von insgesamt sechs solch flüchtiger Begegnungen mit dem sonnennächsten Planeten, bevor BepiColombo Ende 2025 in eine Umlaufbahn einschwenkt. Auch einige der Messinstrumente, zu denen die wissenschaftlich-technischen Teams des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen beigetragen haben, waren während des Vorbeiflugs am vergangenen Wochenende in Betrieb und hatten so die Gelegenheit, erstmals unter „Merkurbedingungen“ Messdaten aufzuzeichnen. Da die spätere Umlaufbahn in mindestens doppelt so großem Abstand zum Merkur verlaufen wird, ermöglichte der Vorbeiflug einen ungewöhnlich nahen Blick auf den Zielplaneten.

Es ist eine Ankunft in Raten: Bevor die Doppelsonde der europäische und japanischen Weltraumagenturen ESA und JAXA Ende 2025 ihr Ziel, den sonnennächsten Planeten Merkur, endgültig erreicht und dann für den Rest der Missionsdauer umkreist, stehen zunächst sechs Vorbeiflüge am Zielplaneten im Missionskalender. Die Manöver bremsen die Doppelraumsonde Schritt für Schritt ab und bereiten so das Einschwenken in eine Umlaufbahn vor. Der erste dieser Vorbeiflüge hat nun reibungslos funktioniert: Um 1:34 (MESZ) am 2. Oktober sauste die Sonde in einem Abstand von nur 199 Kilometern vorbei. Die Bordkameras, die aus verschiedenen Perspektiven eigentlich den Zustand der Raumsonden überwachen, konnten dabei erste Bilder des Planeten einfangen.

Auch viele der wissenschaftlichen Instrumente an Bord der beiden Sonden waren eingeschaltet. Das Manöver führte sie auf 199 Kilometer an die Oberfläche des Merkur heran – deutlich näher als die ab 2025 geplanten Umlaufbahnen, die einen Mindestabstand von 400 Kilometern zum Planeten halten werden. Vor allem den so genannten in situ-Instrumenten, die nicht auf den Planeten selbst blicken, sondern Teilchen und Magnetfelder in seiner Umgebung am eigenen Beobachtungsstandort vermessen, bot der Vorbeiflug Zugang zu einer Region, die sie später nicht mehr erreichen werden. Da die beiden Sonden derzeit noch aufeinandergestapelt durchs All fliegen, bevor sie sich nach der endgültigen Ankunft am Merkur trennen werden, hatten einige der Instrumente allerdings ein eingeschränktes Sichtfeld.

Vor allem aber erlaubte der Vorbeiflug den Instrumenten-Teams, die Messbedingungen vor Ort am Merkur kennenzulernen. Das Röntgenspektrometer MIXS (Mercury Imaging X-ray Spectrometer) etwa ist der Zusammensetzung der Merkur-Oberfläche auf der Spur. Um diese zu bestimmen, untersucht das Instrument die charakteristische Röntgenstrahlung, die Atome und Moleküle an der Oberfläche ins All senden, wenn sie mit Sonnenlicht angeregt werden. Zwar ist BepiColombo am vergangenen Wochenende an der Nachtseite des Merkurs vorbeigesaust. Die Messungen des MIXS-Teams waren trotzdem für den weiteren Missionsverlauf wichtig. „MIXS konnte die hochenergetische Sonnenhintergrundstrahlung, also die Röntgenstrahlung vor, während und nach dem Vorbeiflug auf der Rückseite des Planeten, messen“, erklärt MPS-Wissenschaftler Dr. Martin Hilchenbach, der zum MIXS-Team gehört. Bei künftigen Beobachtungen von der Tagseite kann das Team diese Hintergrundstrahlung dann herausrechnen.

Auch andere Instrumente konnten sich beim Vorbeiflug mit ihrer künftigen Arbeitsumgebung vertraut machen. So identifizierten etwa das Massenspektrometer MPPE-MSA (Mercury Plasma Particle Experiment – Mass Spectrum Analyzer) und die Ionenkamera SERENA-PICAM (Search for Exospheric Refilling and Emitting Natural Abundances Experiment – Planetary Ion Camera) energetische, geladene Teilchen in der Umgebung des Planeten. Die weitere Auswertung der Messergebnisse steht noch aus.

Anders als die Erde umgibt den deutlich kleineren Merkur keine dichte Atmosphäre, sondern nur eine sehr dünne Gashülle, die so genannte Exosphäre. Die Teilchen, die sich dort tummeln, stammen aus dem Sonnenwind, dem stetigen Teilchenstrom von der Sonne, oder gelangen von der Merkuroberfläche ins All. „Wie genau die Exosphäre entsteht, wie sie sich entwickelt hat und aufrechterhalten wird, ist noch unklar“, so MPS-Wissenschaftler Dr. Harald Krüger, der zum Team der Instrumente SERENA und MPPE gehört. „Die Analyse der Ionen in der Exosphäre mit Hilfe der Teilchenspektrometer auf beiden Raumsonden wird helfen, die Prozesse darin besser zu verstehen“, fügt er hinzu.

Eine wichtige Rolle dabei spielt das schwache Magnetfeld des Merkurs. An seiner Oberfläche beträgt dessen Stärke nur etwa ein Prozent des irdischen Wertes. Dennoch erzeugt es wie bei der Erde eine ausgedehnte Magnetosphäre um den Planeten, in dem geladene Teilchen gefangen sind. Wie es tief im Innern entsteht, soll unter anderem das Instrument MPO-MAG helfen zu verstehen. Das Magnetometer, das unter Leitung der TU Braunschweig entwickelt und gebaut wurde und an dem MPS-Forscher wissenschaftlich beteiligt sind, nutzte den Vorbeiflug, um erste Messungen des Magnetfeldes durchzuführen. Dabei war die Flugbahn besonders günstig. „Für die Vermessung des inneren Magnetfeldes ist der geringe Abstand zum Planeten besonders wichtig. Auch dass BepiColombo Regionen südlich des Äquators überfolgen hat, die von der NASA-Sonde Messenger nicht erfasst werden konnten, lässt auf neue Einsichten hoffen“, so MPS-Wissenschaftler Dr. Johannes Wicht aus dem MPO-MAG-Team. Messenger untersuchte den Merkur von 2011 bis 2015.

Gelegenheit zu einem zweiten Blick auf den Merkur und seine ungewöhnliche Teilchen- und Magnetfeldumgebung bietet der nächste Vorbeiflug von BepiColombo im Juni nächsten Jahres. Weitere Manöver dieser Art sind für Juni 2023, September und Dezember 2024 und Januar 2025 geplant.

Zur Mission:
Die Doppelraumsonde BepiColombo der europäischen und japanischen Weltraumagenturen ESA und JAXA startete am 20. Oktober 2018 ins All. Sie besteht aus den beiden Sonden Mercury Planetary Orbiter und Mercury Magnetospheric Orbiter, die während der Anreise zum Merkur aufeinandergestapelt fliegen. Das MPS hat zu den Instrumenten BELA (BepiColombo Laser Altimeter), MIXS (Mercury Imaging X-ray Spectrometer), MPPE (Mercury Plasma Particle Experiment) und SERENA (Search for Exospheric Refilling and Emitted Natural Abundances Experiment) Hardware beigetragen und ist wissenschaftlich beteiligt an dem Magnetometer MPO-MAG und dem Instrument MDM (Mercury Dust Monitor). Ende 2025 schwenkt die Sonde in eine Umlaufbahn um den Planeten ein.

 

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