Rosetta fängt Staubteilchen mit organischen Substanzen ein

Der Staub des Kometen 67P enthält das nach unserem heutigen Kenntnisstand am wenigsten veränderte Material aus der Entstehungsphase unseres Sonnensystems.

7. September 2016
Der ESA-Raumsonde Rosetta gelang erstmals der Nachweis von komplexen, kohlenstoffhaltigen organischen Molekülen in den Staubpartikeln des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko. Organische Substanzen wurden bereits nahe der Kometenoberfläche mit Instrumenten an Bord der Landesonde Philae und dem Gasanalyseinstrument ROSINA an Bord von Rosetta gemessen. Mit dem Staubmassenspektrometer COSIMA gelang dieser Nachweis nun auch im festen Kometenstaub. Bereits frühere Weltraummissionen hatten Hinweise auf die Existenz solcher organischen Stoffe im Staub von Kometen geliefert. Die neuen Untersuchungen bestätigen, dass es sich bei den Kometen um das am wenigsten veränderte Material aus der Entstehungsphase unseres Sonnensystems handelt, das wir kennen. Es zeigt große Ähnlichkeiten mit dem organischen Material in den ursprünglichsten Meteoriten, den kohligen Chondriten, in den Kometen wurde es jedoch weniger stark verändert. Diese neuesten Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Staubteilchen werden in großen Mengen von Kometen durch ihre Aktivität in der Nähe der Sonne freigesetzt. Das COSIMA-Instrument (Cometary Secondary Ion Mass Analyzer) an Bord der Rosetta-Sonde sammelt vom Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko freigesetzte Staubteilchen mit eigens für diesen Zweck entwickelten Metallplättchen in der Umgebung des Kometen auf. Die gesammelten Teilchen werden anschließend mit einer Kamera fotografiert und ihre Zusammensetzung mit einem Sekundärionen-Massenspektrometer analysiert. Die Massenspektren von zwei der Staubkörner, Kenneth und Juliette, die im Mai und Oktober 2015 aufgesammelt wurden, enthalten die Signaturen von auf Kohlenstoff basierenden organischen Verbindungen. "Unsere Analyse zeigt den Kohlenstoff in einer weitaus komplexeren Form als wir erwartet hatten", sagt Dr. Hervé Cottin vom Institut Pierre Simon Laplace an der Universität Diderot in Paris, einer der Autoren der Veröffentlichung, die heute in der Fachzeitschrift Nature erscheint. 

Derartige organische Signaturen wurden in allen bisher von COSIMA analysierten Staubpartikeln nachgewiesen, ebenso wie die beispielsweise die in Mineralen vorkommenden chemischen Elemente Natrium, Magnesium, Aluminium, Silizium, Kalzium und Eisen. Bei den organischen Verbindungen handelt es sich um sehr große makromolekulare Substanzen. Ähnliche Verbindungen, so genannte unlösliche organische Substanzen, wurden auch in sehr ursprünglichen, wenig veränderten Meteoriten gefunden, jedoch mit einem großen Unterschied: die Kometenproben enthalten viel mehr Wasserstoff, als in den Meteoriten gefunden wurde.

Meteorite haben ihren Ursprung im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter.  Auf Grund der Erwärmung durch die Sonne haben sie ihren Wasserstoff weitgehend verloren. Die Kometen wurden dagegen nie stark erwärmt und konnten daher ihren Wasserstoff seit ihrer Entstehung behalten. Deshalb enthalten sie ursprünglicheres, weniger verändertes Material als die Meteorite. Dies zeigt der Vergleich der mit COSIMA von den Staubpartikeln Kenneth und Juliette gewonnenen Massenspektren mit Spektren der unlöslichen organischen Substanzen aus Proben einiger der ursprünglichsten Meteorite.

Aus früheren Analysen von Meteoritenproben war eine große Vielfalt an organischem Material erwartet worden, angefangen bei sehr kleinen Molekülen bis zu sehr komplexen organischen Verbindungen. Sowohl das Gasanalysegerät ROSINA auf Rosetta als auch die Instrumente Ptolemy und COSAC auf  dem Lander Philae haben zahlreiche flüchtige organische Moleküle nachgewiesen. Die COSIMA-Ergebnisse von überwiegend großen makromolekularen Substanzen legen nahe, dass die leicht flüchtigen und die festen kohlenstoffhaltigen Substanzen möglicherweise unterschiedliche Quellen im Sonnensystem haben.

"Obwohl wir nicht wissen, wann sich die organischen Verbindungen im interstellaren Medium oder im Urnebel unseres Sonnensystems gebildet haben, sind die von COSIMA gemessenen Staubkörner Zeugen des frühen Bildungsprozesses unseres Sonnensystems, einschließlich der Entstehung des Kometen selbst", sagt Dr. Nicolas Fray, Erstautor der in Nature veröffentlichten Studie.

"Nach der Entdeckung organischer Staubpartikel in der Koma des Kometen 1P/Halley durch Jochen Kissel vor fast drei Jahrzehnten ist dies ein weiterer großer Schritt zum Verständnis der Zusammensetzung der Materie in unserem frühen Sonnensystem", ergänzt Dr. Martin Hilchenbach, Projektleiter des COSIMA-Teams.

Ein Recycling besonderer Art wird am 30. September stattfinden: Die ROSETTA-Sonde wird auf dem Kometen 67P landen, wodurch auch die hier gezeigten und untersuchten Staubkörner wieder zum Kometen zurückkehren werden.

COSIMA wurde von einem Konsortium unter Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (Deutschland) gebaut in Zusammenarbeit mit  dem Laboratoire de Physique et Chimie de l'Environnement et de l'Espace, CNRS/Université d'Orleans (Frankreich), dem Institut d'Astrophysique Spatiale, CNRS/Université Paris Sud (Frankreich), dem Finnish Meteorological Institute (Finnland), der  Universität Wuppertal (Deutschland), der von Hoerner und Sulger GmbH (Deutschland), der Universität der Bundeswehr (Deutschland), dem Institut für Physik, Forschungszentrum Seibersdorf (Österreich) und dem Institut für Weltraumforschung, Österreichische Akademie der Wissenschaften (Österreich). Das COSIMA-Team wird vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen geleitet.

 

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