Rosetta-Komet erreicht sonnennächsten Punkt

Ab sofort entfernt sich der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko wieder von der Sonne. Seine Aktivität wird in den nächsten Wochen noch zunehmen.

13. August 2015

Wendepunkt in der Rosetta-Mission: Vergangene Nacht um 4.03 Uhr (MESZ) hat der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko seinen sonnennächsten Punkt erreicht und entfernt sich nun wieder von unserem Zentralgestirn. Da die Sonnenwärme nur langsam in die tieferen, eishaltigen Schichten des Kometen eindringt, erreicht er seinen Aktivitätshöhepunkt voraussichtlich erst in den nächsten Wochen. Dennoch zeigen Aufnahmen des wissenschaftlichen Kamerasystems OSIRIS an Bord der ESA-Raumsonde vom 12. und 13. August (MESZ) schon jetzt ein wahres Feuerwerk an Staubfontänen – und einen Kometen im Ausnahmezustand.

186 Millionen Kilometer trennten vergangene Nacht den Rosetta-Kometen von der Sonne. Wirklich nah ist er auf seiner stark elliptischen Umlaufbahn unserem Zentralgestirn somit nicht gekommen; auch bei der heutigen Sonnenpassage befand er sich noch deutlich außerhalb der Erdbahn. Dennoch erfährt 67P in diesen Tagen die stärkste Sonneneinstrahlung auf seiner Reise durchs Sonnensystem. Unter dem Einfluss der Strahlung erhitzen sich oberflächennahe Schichten, gefrorene Gase verdampfen und reißen Staub in beeindruckenden Fontänen mit ins All.

Die zahlreichen Staubteilchen, die den Kometen mittlerweile umgeben, erschweren die Navigation der Rosetta-Sonde. Seit Wochen schon muss sie einen sicheren und somit vergleichsweise großen Abstand zum Kometen einhalten. Die aktuellen OSIRIS-Aufnahmen vom 12. und 13. August (MESZ) entstanden aus einer Entfernung von etwa 300 Kilometern. Ein Feuerwerk an Staubfontänen umgibt den Körper wie ein Strahlenkranz. In einer der ersten Aufnahmen aus dieser Sequenz lässt sich zudem ein besonders heftiger Aktivitätsausbruch erkennen. Ein ähnliches Schauspiel hatte Rosetta bereits am 29. Juli beobachtet.

Erste Anzeichen für das Gas- und Staubspucken gab es bereits im Mai vergangenen Jahres, als der Komet noch mehr als 600 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt war. Seitdem hat seine Aktivität auf dem Weg ins innere Sonnensystem stetig zugenommen. „In den vergangenen Wochen hat sich das Verhalten von 67P aber auch qualitativ verändert“, so der Leiter des OSIRIS-Teams Holger Sierks vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS).

„Die Staubfontänen sind mittlerweile sehr stabil“, beschreibt OSIRIS-Wissenschaftler Jean-Baptiste Vincent vom MPS die aktuellen Aufnahmen. „Sie bleiben meist über mehrere Wochen bestehen und reißen höchstens dann kurz ab, wenn sich die entsprechende Seite des Kometen von der Sonne wegdreht.“ Die Entstehungsorte der Fontänen an der Oberfläche lassen sich deshalb in einer zweidimensionalen Karte des Kometen darstellen. Sie liegen alle in der Nähe des Breitengrads, über dem die Sonne derzeit im Zenit steht.

Anders als zu Beginn der Mission gehen die Staubfontänen zudem kaum noch vom Hals des Kometen aus. Stattdessen ist nun die Region Imhotep auf der Unterseite des Kometen Ausgangspunkt der stärksten Aktivität. Grund für diese Verschiebung ist vor allem, dass der Komet auf seiner Umlaufbahn nach und nach seine Orientierung zur Sonne ändert: Immer südlichere Regionen erhalten dadurch Sonnenlicht; der Kometenhals wird kaum noch beleuchtet.

Auch Gebiete auf der Unterseite des Kometen, die zu Beginn der Mission eine Polarnacht, eine Phase permanenter Dunkelheit, erlebten, sind dadurch nun sichtbar geworden. Wissenschaftler des OSIRIS-Teams haben dieses „Neuland“ nun in vier Regionen eingeteilt, die sich in ihren Oberflächeneigenschaften unterscheiden. Wie die 19 zuvor bekannten Regionen wurden sie nach ägyptischen Gottheiten benannt: Anhur, Wosret, Sobek und Khonsu. Einige zeigen sich stark zerklüftet, andere weisen ein deutlich glatteres Terrain auf.

Neben Staubkörnern schleudert der Komet mittlerweile auch deutlich größere Brocken ins All. In drei Aufnahmen vom 30. Juli dieses Jahres lässt sich verfolgen, wie ein solcher Trumm den Kometen verlässt. Die exakte Größe des Brockens lässt sich indes nicht bestimmen. Dafür müssten sein Abstand zu Rosetta und damit seine Flugbahn bekannt sein. Beides lässt sich aus nur drei Aufnahmen jedoch kaum rekonstruieren. „Wenn das Objekt denselben Abstand von der Raumsonde hat wie der Komet zu diesem Zeitpunkt – also etwa 185 Kilometer –, wäre es ein Riesenbrocken mit einem Durchmesser von 50 Metern“, so OSIRIS-Wissenschaftlerin Sonia Fornasier vom Pariser Observatorium, die den Brocken in den Aufnahmen entdeckte. Doch selbst wenn er der Sonde deutlich näher wäre, würde er mindestens etwa einen Meter messen. „Dies ist der erste Brocken, der in unseren Aufnahmen mehrere Pixel überdeckt, so dass wir auch eine Form und Struktur erkennen können“, so OSIRIS-Projektmanager Carsten Güttler vom MPS.

Für die nächsten Wochen erwarten die Forscher, dass das Feuerwerk aus Gas, Staub und Brocken noch zunimmt. Zwar erfuhr 67P bereits heute Nacht die stärkste Sonneneinstrahlung auf seiner etwa sechseinhalbjährigen Reise um die Sonne, doch Kometen reagieren auf den Hitzebeschuss bei der Sonnenpassage in der Regel mit einigen Wochen Verzögerung. „Der Körper speichert die Hitze zunächst und es dauert, bis sie in tiefere, eishaltige Schichten eindringt“, erklärt Güttler.

„Wir sind gespannt, was uns der Rosetta-Komet in den kommenden Wochen zu bieten hat“, so Sierks. „Der Komet war die letzten Wochen schon sehr aktiv und wir erwarten, dass das erst der Anfang des großen Feuerwerks ist.“

Rosetta ist eine Mission der Europäischen Weltraumagentur ESA mit Beiträgen der Mitgliedsstaaten und der amerikanischen Weltraumagentur NASA. Rosettas Landeeinheit Philae wurde von einem Konsortium unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) und der französischen und italienischen Weltraumagentur (CNES und ASI) zur Verfügung gestellt. Rosetta ist die erste Mission in der Geschichte, die einen Kometen anfliegt, ihn auf seinem Weg um die Sonne begleitet und eine Landeeinheit auf seiner Oberfläche absetzt.

Das wissenschaftliche Kamerasystem OSIRIS wurde von einem Konsortium unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Zusammenarbeit mit CISAS, Universität Padova (Italien), Laboratoire d'Astrophysique de Marseille (Frankreich), Instituto de Astrofísica de Andalucia, CSIC (Spanien), Scientific Support Office der ESA (Niederlande), Instituto Nacional de Técnica Aeroespacial (Spanien), Universidad Politéchnica de Madrid (Spanien), Department of Physics and Astronomy of Uppsala University (Schweden) und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze der TU Braunschweig gebaut. OSIRIS wurde finanziell unterstützt von den Weltraumagenturen Deutschlands (DLR), Frankreichs (CNES), Italiens (ASI), Spaniens (MEC) und Schwedens (SNSB).

Zur Redakteursansicht