Rosetta: Kometenfeuerwerk kurz vor Perihel

11. August 2015

Ende Juli konnte die ESA-Raumsonde Rosetta einen dramatischen Aktivitätsausbruch des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko mitverfolgen. Der Ausbruch erwies sich als so heftig, dass er sogar den ankommenden Sonnenwind beiseite drückte. Mehrere Instrumente an Bord von Rosetta, darunter das wissenschaftliche Kamerasystem OSIRIS und das Massenspektrometer ROSINA, waren an den Messungen beteiligt. Sie lieferten Aufnahmen einer spektakulären Staubfontäne, fanden Veränderungen in Struktur und Zusammensetzung der Gaskoma und detektierten deutlich mehr Staubeinschläge als sonst.

Am kommenden Donnerstag erreicht der Rosetta-Komet seinen sonnennächsten Punkt, genannt Perihel. In den vergangenen Monaten sind unter dem Einfluss der zunehmenden Sonneneinstrahlung die gefrorenen Gase im Kometenboden weiter verdampft und haben immer mehr Staub von der Oberfläche mitgerissen. Aus wissenschaftlicher Sicht ist diese Phase um Perihel besonders spannend: Die Intensität des Sonnenlichtes nimmt zu und Teile des Kometen, die zuvor im Dunkeln lagen, werden stark beleuchtet.

Eine Abfolge von Aufnahmen, die am 29. Juli dieses Jahres mit Hilfe der OSIRIS-Kamerasystems entstanden, zeigen das plötzliche Einsetzen einer deutlich erkennbaren Staubfontäne. Sie nimmt ihren Ursprung an der Seite des Kometenhalses in der Anuket Region. Die Staubfontäne ist in einer Aufnahme von 15.24 Uhr (MESZ) zu sehen, nicht aber 18 Minuten zuvor. Um 15.42 Uhr (MESZ) hat sich die Staubfontäne bereits deutlich abgeschwächt. Das OSIRIS-Team schätzt, dass der Staub mit einer Geschwindigkeit von mindestens zehn Metern pro Sekunde ins All geschossen ist – möglicherweise auch viel schneller.

„Dies ist die intensivste Staubfontäne, die wir bisher gesehen haben“, sagt OSIRIS-Projektmanager Carsten Güttler vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. „Normalerweise sind die Fontänen im Vergleich zum Kometenkern sehr blass. Um sie sichtbar zu machen, müssen wir meist den Kontrast der Aufnahmen erhöhen. Aber dieser Fall ist anders: Die Staubfontäne ist heller als der Kern“, fügt er hinzu.

Kurze Zeit später fanden sich deutliche Hinweise auf Veränderungen im Aufbau der Kometenkoma in Messdaten des Drucksensors von ROSINA. Das Massenspektrometer von ROSINA registrierte zeitgleich eine ungewöhnliche Zusammensetzung der ausströmenden Gase. Im Vergleich zu Messungen, die zwei Tage zuvor durchgeführt wurden, hatte sich beispielsweise die Menge an Kohlendioxid verdoppelt, die Menge an Methan vervierfacht und die Menge an Schwefelwasserstoff versiebenfacht. Die Wassermenge hingegen blieb nahezu konstant.

“Dieser erste Blick auf die Daten nach dem Ausbruch ist faszinierend”, so Kathrin Altwegg von der Universität Bern, Leiterin des ROSINA-Teams. „Wir finden nach dem Ausbruch auch Hinweise auf schweres organisches Material, das möglicherweise in einem Zusammenhang steht mit dem emittierten Staub.“ Allerdings sei es noch zu früh um zu beurteilen, ob ROSINA tatsächlich Material detektiert hat, das von unterhalb der Kometenoberfläche freigesetzt wurde.  

Etwa 14 Stunden nach dem Ausbruch bemerkte auch das Instrument GIADA Veränderungen. Statt wie Anfang Juli ein bis drei Staubeinschläge pro Tag waren es nun etwa 30. Am 1. August registrierte GIADA gar innerhalb von vier Stunden 70 Einschläge. Dies deutet daraufhin, dass der Ausbruch auch in den Folgetagen noch starke Auswirkungen auf die Staubumgebung des Kometen hatte. „Nicht nur die Anzahl der Teilchen, auch ihre Geschwindigkeiten verrieten uns, dass sich irgendetwas Neues ereignet hatte“, sagt GIADA-Leiterin Alessandra Rotundi von der Universität Neapel. Die Durchschnittgeschwindigkeit der Teilchen erhöhte sich von 8 Metern pro Sekunde auf etwa 20 Meter pro Sekunde mit Spitzen um 30 Meter pro Sekunde.

Das möglicherweise erstaunlichste Ergebnis: Der Ausbruch war so heftig, dass er für einige Minuten den Sonnenwind vom Kometenkern wegdrückte. Das zeigen Messungen von Rosettas Magnetometer. Der Sonnenwind ist der kontinuierliche Strom geladener Teilchen von der Sonne, der sein magnetisches Feld auf diese Weise ins Sonnensystem trägt. Frühere Messungen von Rosetta und Philae hatten bereits gezeigt, dass der Komet selbst nicht magnetisiert ist. Die einzige Quelle für das Magnetfeld in der Umgebung des Kometen ist somit der Sonnenwind. Doch dieser strömt nicht unbehindert vorbei. Wenn der Komet Gas spuckt, wird der Sonnenwind abgebremst.

“Das Magnetfeld des Sonnenwindes staut sich geradezu auf und hört schließlich ganz auf, sich in Richtung des Kometenkerns zu bewegen. Auf diese Weise entsteht eine magnetfeldfreie Region auf der Sonnenseite des Kometen“, erklärt Charlotte Götz von der TU Braunschweig, Mitglied des Magnetometerteams. Am Tag des Ausbruchs fanden die Forscher, dass diese Lücke im Magnetfeld sich bis mindestens 186 Kilometer ins All erstreckte. Zuvor hatte es keine Anzeichen einer solchen Lücke gegeben.

“In den vergangenen Wochen haben wir Rosetta auf Entfernungen von bis zu 300 Kilometer vom Kometen manövriert, um Schwierigkeiten mit der Navigation zu vermeiden“, so Rosetta Project Scientist Matt Taylor. Die Forscher gingen deshalb davon aus, dass die Lücke im Magnetfeld außerhalb ihrer Reichwarte sei. „Doch offenbar hat der Komet nun etwas nachgeholfen“, so Taylor.

Rosetta ist eine Mission der Europäischen Weltraumagentur ESA mit Beiträgen der Mitgliedsstaaten und der amerikanischen Weltraumagentur NASA. Rosettas Landeeinheit Philae wurde von einem Konsortium unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) und der französischen und italienischen Weltraumagentur (CNES und ASI) zur Verfügung gestellt. Rosetta ist die erste Mission in der Geschichte, die einen Kometen anfliegt, ihn auf seinem Weg um die Sonne begleitet und eine Landeeinheit auf seiner Oberfläche absetzt.

Das wissenschaftliche Kamerasystem OSIRIS wurde von einem Konsortium unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Zusammenarbeit mit CISAS, Universität Padova (Italien), Laboratoire d'Astrophysique de Marseille (Frankreich), Instituto de Astrofísica de Andalucia, CSIC (Spanien), Scientific Support Office der ESA (Niederlande), Instituto Nacional de Técnica Aeroespacial (Spanien), Universidad Politéchnica de Madrid (Spanien), Department of Physics and Astronomy of Uppsala University (Schweden) und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze der TU Braunschweig gebaut. OSIRIS wurde finanziell unterstützt von den Weltraumagenturen Deutschlands (DLR), Frankreichs (CNES), Italiens (ASI), Spaniens (MEC) und Schwedens (SNSB).

Das Instrumentenpaket ROSINA (Rosetta Orbiter Spectrometer for Ion and Neutral Analysis) wurde von einem internationalen Konsortium unter Leitung der Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie der Universität Bern entwickelt und gebaut. Die Universität Bern stellt mit Kathrin Altwegg die wissenschaftliche Leiterin des ROSINA-Teams. Hardware-Komponenten wurde zur Verfügung gestellt vom Belgian Institute for Space Aeronomy (Brüssel, Belgien), dem Research Institute in Astrophysics and Planetology (Toulouse, Frankreich), dem Institut Pierre Simon Laplace (Paris, Frankreich), dem Lockheed Martin Advanced Technology Center (Palo Alto, USA), dem Max Planck Institute für Sonnensystemforschung  (Göttingen, Deutschland), dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze der TU Braunschweig (Braunschweig, Deutschland) und der University of Michigan (Ann Arbor, USA).

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