Feuerbögen der Sonne: Von Schein und Sein

Die Feuerbögen, die sich in der Atmosphäre der Sonne zeigen, sind nur scheinbar beständige Strukturen. Das zugrunde liegende Magnetfeld ist dauernd in Bewegung.

27. April 2015

Für das menschliche Auge ist die äußere Atmosphäre der Sonne, die so genannte Korona, nur bei einer Sonnenfinsternis zu sehen. Zu sehr überstrahlt die gleißend helle Sonnenscheibe das schwache Leuchten dieses Randbereichs. Erst das ultraviolette Licht, das die Korona ins All abstrahlt, offenbart ihr wahres Wesen: In Zeiten hoher Aktivität entweicht dort heißes Plasma in heftigen Eruptionen oder strömt in beeindruckenden Bögen zurück zur Oberfläche des Sterns. Diese so genannten koronalen Bögen können mehrere Stunden bestehen und galten lange Zeit als sichtbare Anzeichen des solaren Magnetfeldes. Forscher unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen zeichnen nun ein dynamischeres Bild der Sonnenatmosphäre: Auch dort, wo stabile koronale Bögen auftreten, ist das Magnetfeld in Bewegung. Von ihren neuen Ergebnissen berichten die Wissenschaftler in der heutigen Ausgabe des Fachmagazins Nature Physics.

Die Atmosphäre der Sonne ist ein rätselhafter Ort. Mit Temperaturen von mehr als einer Million Grad ist diese Schicht mehr als hundert mal heißer als die darunter liegende Photosphäre, die sichtbare Oberfläche der Sonne. „Die Photosphäre liegt viel näher am Hitze spendenden Kern der Sonne. Eine solche Temperaturverteilung erscheint deshalb auf den ersten Blick völlig unmöglich“, erklärt Hardi Peter vom MPS, Koautor der neuen Studie. Es ist, als nähere man sich einem glühenden Ofen und erlebe plötzlich eine deutliche Abkühlung. Seit Jahrzehnten suchen Forscher nach einem Prozess, der Energie in die Korona transportiert und dort in Wärme umwandelt. Sicher ist, dass die Magnetfelder der Sonne eine entscheidende Rolle spielen.

Simulierter Flug durch einen koronalen Bogen

Diese zeigen sich nun veränderlicher als bisher gedacht. Als Anzeichen zumindest zeitweise stabiler magnetischer Strukturen galten bisher die koronalen Bögen, die sich hell leuchtend in Sonnenaufnahmen im ultravioletten Licht zeigen. Sie können bis zu 100000 Kilometer in die Sonnenatmosphäre hineinragen. Eingefangenes, heißes Plasma fließt dort entlang einer bogenförmigen Magnetfeldlinie, so die Vorstellung. „Die koronalen Bögen wären somit die solare Entsprechung des klassischen Schulexperiments mit Eisenspänen“, so Peter. Ebenso wie sich dort die Eisenspäne entlang der Magnetfeldlinien ausrichten, zeigt das strömende Plasma die Richtung des solaren Magnetfeldes auf.

Doch diese Vorstellung ist nicht zu halten. Erstmals konnten die Göttinger Forscher in ihren Rechnungen nun mitverfolgen, wie sich eine einzelne Feldlinie mit der Zeit entwickelt. Selbst wenn sie zunächst mit einem koronalen Bogen zusammenfällt, gehen Magnetfeldlinie und Bogen einige Sekunden später getrennte Wege: Der sichtbare Bogen bleibt nahezu stabil, die Feldlinie jedoch wächst und wölbt sich weiter nach außen. „Betrachtet man das komplette magnetische Feld, so findet sich zwar stets eine Feldlinie, die mit dem Bogen übereinstimmt“, so Erstautor Feng Chen. „Doch es ist nicht lange dieselbe“, fügt er hinzu.

Dynamik der magnetischen Feldlinien

Die Ursache findet sich am Ausgangspunkt der Feldlinien: der Sonnenoberfläche. Koronale Bögen nehmen ihren Ursprung in der Regel in der Nähe von Sonnenflecken. Diese Bereiche besonders hoher magnetischer Feldstärke überziehen die sichtbare Oberfläche der Sonne mal mehr, mal weniger zahlreich. Am äußeren Rand eines solchen Fleckes fließt magnetische Energie besonders effizient nach oben in die Korona. Erreicht eine Feldlinie diesen Bereich, erhält sie dort mehr Energie, das Plasma heizt sich auf -  und wird schließlich so heiß, dass im ultravioletten Licht ein Leuchten erkennbar ist.

„Koronale Bögen, wie wir sie aus UV-Aufnahmen der Sonne kennen, zeigen sich nur in einem begrenzten Temperaturbereich, etwa von 1,3 bis 1,7 Millionen Grad“, so Chen. Die sich erwärmende und gleichzeitig nach außen wandernde Feldlinie blitzt somit nur für 50 bis 100 Sekunden auf. Danach bietet eine andere weiter innen die richtigen Temperaturbedingungen. „Das Leuchten des koronalen Bogens tritt deshalb zwar immer an derselben Stelle auf. Verantwortlich sind aber immer neue Feldlinien und Plasmaströme“, so Chen.

Zeitliche Entwicklung koronaler Bögen

Entscheidend für diesen neuen Blick in die Atmosphäre der Sonne waren Rechnungen, in denen die Forscher den Wärmehaushalt und die elektromagnetischen Eigenschaften des dünnen Plasmas in dieser Region in allen drei Dimensionen betrachteten. „Leider lässt sich das Magnetfeld der Korona nicht direkt messen“, so Peter. „Dafür ist ihr Licht einfach zu schwach“. Stattdessen nutzen Forscher Beobachtungen des Magnetfeldes an der Sonnenoberfläche und setzen dieses rechnerisch in die Atmosphäre der Sonne fort. „Dabei alle Dimensionen zu berücksichtigen, ist numerisch ausgesprochen aufwändig und anspruchsvoll“, so Peter. 20 Millionen CPU-Stunden auf dem Super-Computer am Leibnitz-Rechenzentrum in München waren hierfür notwendig; ein normaler PC hätte mehr als 1000 Jahre benötigt.

Ältere Ansätze hatten deshalb nur ein Teil der Dimensionen im Detail beschrieben. „Die ganze Bandbreite der dynamischen Vorgänge in der Sonnenatmosphäre erschließt sich so jedoch nicht“, so Peter. Die Wissenschaftler hoffen nun, dass das tiefere Verständnis des solaren Magnetfeldes auch helfen könnte, das Rätsel der Koronaheizung zu lösen.

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