Philae ist gelandet

Philae meldet sich von der Oberfläche des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko.

12. November 2014

Der 12. November 2014 geht in die Geschichte ein. Denn an diesem Mittwoch ist zum ersten Mal eine unbemannte Sonde auf einem Kometenkern gelandet. Um 17.03 Uhr ging das entsprechende Signal im Kontrollzentrum ein. Philae soll auf der Kometenoberfläche als feste Forschungsstation für mindestens 60 Stunden Daten sammeln und Messungen vornehmen.

Schon am 8. November hat die Bodenmannschaft jene Computersequenz, welche die Landung steuert, über den Orbiter zu Philae gesendet. Am Montag wurde der Lander dann eingeschaltet und geheizt. Am Morgen des 12. November schwebte das Mutterraumschiff Rosetta noch gut 22 Kilometer über der pulvrigen Oberfläche des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko.

Kurz darauf kam aus dem irdischen Kontrollzentrum das endgültige „Go!“. Fachleute der europäischen Raumfahrtagentur ESA hatten zuvor noch einmal die Bahn von Rosetta überprüft. Obwohl es Probleme mit der Kaltgasdüse gab, die Philae nach der Landung sanft auf die Kometenoberfläche drücken sollte, entschied man sich für die pünktliche Trennung. Um 9.35 Uhr bugsierten drei vorgespannte Federn die Sonde mit einem Schubs ins All. Der kühlschrankgroße Kasten driftete vom Mutterschiff fort. Um 10.03 Uhr bestätigte das Kontrollzentrum ESOC in Darmstadt die erfolgreiche Separation.

Etwa zwei Stunden nach der Trennung begann die Datenübertragung. Der Lander sendete Signale zum Orbiter, von dem sie mit Lichtgeschwindigkeit zur Erde liefen. Weil der Komet rund 500 Millionen Kilometer von unserem Planeten entfernt durch den Weltraum fliegt, waren diese Signale 28 Minuten und 20 Sekunden unterwegs. Um 12.07 Uhr trafen sie im ESOC ein.

Mit dieser Verzögerung gelangten die Forscher und Techniker schon während des Abstiegs an Informationen über den Zustand von Philae. Gegen 12.25 Uhr wurde bestätigt, dass die drei Landebeine und ein Sensor ausgefahren sind. Außerdem sollten bald die ersten Bilder der Bordkamera CIVA eintreffen und Messungen von Instrumenten wie dem Radiotomografen CONSERT übertragen werden.

Während des Abstiegs ließ sich Philae von der Erde aus nicht steuern. Vielmehr schwebte die 100 Kilogramm schwere Sonde im freien Fall mit einer Geschwindigkeit von anfangs 18 Zentimetern pro Sekunde auf den Kometenkern zu. Das Landegebiet – nach einem Namenswettbewerb der ESA wurde es kürzlich Agilkia getauft – war nicht exakt definiert, die Landeellipse besaß eine Fläche von mehr als einen halben Quadratkilometer. Aufgrund des präzisen Trennungsmanövers war Philae exakt auf Kurs, der Durchmesser der Landeellipse hatte sich dadurch auf 400 Meter verkleinert.

Etwa zwei Stunden nach der Separation blickte die Kamera OSIRIS an Bord von Rosetta auf die sich entfernende Landesonde. „Philae ist auf einem guten Weg“, sagte der wissenschaftliche Leiter der Landemission, Hermann Böhnhardt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Das aktuelle Bild beweise, dass auch das Ausklappen des Landegestells funktioniert hat. „Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, diese historische Landung nun durch die Augen unserer Kamera zu verfolgen“, sagt Max-Planck-Forscher Holger Sierks, Leiter des OSIRIS-Teams. „Seit dem Start von Rosetta vor mehr als zehn Jahren haben wir kein Bild der Landeeinheit mehr gesehen. Nun schwebt sie losgelöst frei im Weltall auf dem Weg zur Kometenoberfläche.“

Nur noch drei Kilometer trennen Philae und die Oberfläche des Kometen. ROLIS, eine Kamera an der Unterseite von Philae, nimmt ein Bild der Landestelle auf.

16.34 Uhr Mitteleuropäische Zeit: Touchdown, Philae ist gelandet! Als die Sonde mit einer Geschwindigkeit von dreieinhalb Kilometern pro Stunde aufsetzte. Zusätzlich bohrten sich schraubenartige Spitzen an den drei Landebeinen in die Kometenoberfläche. Ein im zentralen Rohr des Landegestells untergebrachter Dämpfungsmechanismus nahm die Energie auf und trug ebenfalls dazu bei, dass Philae nicht ins Weltall abprallte.

Um 17.03 Uhr gingen die Signale im Kontrollzentrum ein. Ziemlich schnell stand fest: Die Landung war geglückt! Die beiden Harpunen, welche die Landeeinheit fest am Boden verzurren sollen, wurden jedoch nicht gefeuert. Grund dafür könnte sein, dass der Boden an der Landestelle sehr weich ist und den Aufprall stark gedämpft hat.

Das gesamte Lander-Team ist nun damit beschäftigt, die Daten, die von Philae eingetroffen sind, zu interpretieren und so den genauen Landeablauf zu rekonstruieren. Derzeit wird vermutet, dass Philae nach dem Aufsetzen mindestens einen kleinen „Hüpfer“ gemacht hat und nach einer Drehung zum Stehen gekommen ist. Stephan Ulamec, Philae Projektleiter vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, sprach von „zwei Landungen an einem Tag“.

Für morgen werden die ersten Bilder der Panoramakamera auf den Monitoren erwartet. Ist der Horizont sichtbar? Wie verläuft er? Die größte Gefahr für Philae bot das Terrain selbst. Die Landschaft erscheint zwar als sehr eben, aber herumliegende Brocken oder ein Hang hätten die Landung erheblich beeinträchtigen können. Wäre die Sonde mit einem Bein auf einem Felsen oder unebenem Gelände aufgekommen und dadurch um mehr als 30 Grad aus der Horizontalen gebracht worden, hätte sie umkippen können - was wohl das Ende der Mission bedeutet hätte.

Dann beginnt die erste wissenschaftliche Phase. Zunächst analysieren die Experten die Beleuchtungsverhältnisse, um entscheidende Anhaltspunkte für die Energieversorgung zu gewinnen; denn die Batterien des Landers werden über die Sonnenenergie aufgeladen. Danach werden alle Bordinstrumente in Betrieb genommen.

Die „heiße Phase“, in der Philae fotografieren, messen und Daten sammeln soll, beträgt mindestens 60 Stunden. Insgeheim hoffen die Ingenieure und Wissenschaftler, dass der Lander deutlich länger überlebt. Eigentlich soll er bis in eine Sonnenentfernung von ungefähr 300 Millionen Kilometern funktionieren.

Diesen Bahnpunkt wird Churyumov-Gerasimenko Ende März 2015 erreichen. Danach wird voraussichtlich Schluss sein: Wenn ihn nicht vorher eine Staubfontäne trifft und vielleicht sogar ins All schleudert, wird er überhitzen oder an Energiemangel durch verschmutzte Sonnensegel zugrunde gehen. Bis dahin aber könnte Philae unser Bild von Kometen revolutioniert haben.

Zur Redakteursansicht