Gigantische Wirbelstürme auf der Sonne

Bei einer Tagung in Göttingen diskutieren Sonnenforscher aus aller Welt neue Ergebnisse der NASA-Raumsonde Solar Dynamics Observatory.

28. August 2014

70 Wissenschaftler aus aller Welt treffen sich von Montag, 1. September 2014, bis Freitag, 5. September 2014, am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen zu einer internationalen Tagung zum Thema „Helioseismologie und ihre Anwendungen“. In der Helioseismologie nutzen Wissenschaftler die Schallwellen der Sonne, um das Innere des Sterns zu erkunden. Die jüngste Entdeckung riesiger Wirbelstürme auf der Sonne ist nur eines der vielen Themen der Tagung.

Zu den zahlreichen internationalen Experten auf dem Gebiet der Helioseismologie, die an der Göttinger Tagung teilnehmen, zählt auch Dr. Thomas Duvall Jr., den die Amerikanische Astronomische Gesellschaft (AAS) in diesem Jahr mit dem renommierten Hale Preis für Sonnenphysik ausgezeichnet hat. Duvall, der viele Jahre für die amerikanische Weltraumagentur NASA geforscht hat, wechselt im September ans MPS.

Schwerpunkt der Tagung liegt auf neuen Ergebnissen der NASA-Raumsonde Solar Dynamics Observatory (SDO). Seit ihrem Start 2010 liefert die Raumsonde täglich 1,5 Terabyte an Daten in Form von Bildern, die auf 4096 mal 4096 Pixeln die komplette Sonnenscheibe abbilden. Die Göttinger Wissenschaftler haben direkten Zugriff auf diese hochqualitativen Daten: Sie werden automatisch von der Stanford Universität in Kalifornien (USA) an das Deutsche Datenzentrum für SDO am MPS weitergeleitet. Das Datenzentrum wird vom DLR finanziert und ist einzigartig in Europa.

Die Bewegung von tausenden gewaltiger „Wirbelstürme“ unter der sichtbaren Oberfläche der Sonne hat Jan Langfellner, Doktorand der International Research School for Solar System Science, zusammen mit Prof. Dr. Laurent Gizon und Dr. Aaron Birch in diesen Daten entdeckt.

Irdische Wirbelstürme entstehen aus dem Zusammenspiel von Tiefdrucksystemen und Erddrehung. Auf der Südhalbkugel drehen sich diese Stürme im Uhrzeigersinn, auf der Nordhalbkugel anders herum. Auf der Sonne steigt heißes Plasma aus dem heißen Innern des Sterns wie in einem Topf mit kochendem Wasser an die Oberfläche. Dort kühlt sich das Plasma ab und sinkt wieder hinab. Jede solche Bewegung aus Aufsteigen, Abkühlen und Hinabsinken bezeichnen Wissenschaftler als Konvektionszelle. Die Zellen können tausende von Kilometern überdecken. Das Zusammenwirken der Konvektionsbewegung und der Rotation der Sonne erzeugt solare „Wirbelstürme“. Sie sind nahezu dreimal so groß wie die Erde und drehen sich je nachdem, ob sie auf der Nord- oder Südhalbkugel auftreten, in entgegengesetzte Richtungen.

Mit Rotationsgeschwindigkeiten von 50 Kilometern pro Stunde sind die solaren Wirbelstürme allerdings deutlich langsamer als ihre irdischen Gegenstücke. Diese erreichen in der Regel Geschwindigkeiten von etwa 200 Kilometern pro Stunde. Wegen ihrer vergleichsweise langsamen Bewegungen sind die SDO-Datensätze mehrerer Monate nötig, um darin die Wirbelstürme der Sonne zu entdecken.

Dieses und andere Ergebnisse, die auf der Tagung präsentiert werden, geben neue Einblicke in die globale Dynamik der Sonne. Gastgeber Prof. Dr. Laurent Gizon, Direktor am MPS und Professor an der Universität Göttingen, betont, dies sei ein goldenes Zeitalter der Helioseismologie. „Wir haben seit vier Jahren Zugang zu höchst aufgelösten Beobachtungsdaten von der Sonne im Minutentakt. Mit diesen Daten können wir die verborgenen Geheimnisse der Sonne lüften.“




Zur Redakteursansicht