Sunrise 2: Eine Reise zur aktiven Sonne

Vier Jahre nach dem Erstflug bereitet das Sunrise-Team das ballongetragene Sonnenobservatorium auf eine erneute Mission vor. Der Start steht kurz bevor.

3. Juni 2013

Nach etwa zwei Monaten Vorbereitungen im nordschwedischen Kiruna ist das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise jetzt flugbereit: Nur eine letzte Generalprobe am Boden steht noch aus. Sobald das Wetter es zulässt, soll dann ein riesiger, mit Helium gefüllter Ballon das Observatorium auf eine Flughöhe von etwa 35 Kilometern tragen. Dort wird Sunrise, ausgestattet mit dem größten Sonnenteleskop, das jemals den Erdboden verlassen hat, seinen einzigartigen Blick auf die Sonne richten. Bereits vor vier Jahren hob Sunrise unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) zu seinem ersten Flug ab – und lieferte während seiner etwa sechstägigen Reise die bis dahin detailliertesten Bilder unseres Zentralgestirns. Doch entgegen allen Erwartungen zeigte sich die Sonne damals von ihrer ruhigen Seite. Heute steuert die Sonne auf ihre nächstes Aktivitätsmaximum zu. Sunrise 2 wird eine Reise zur aktiven Sonne.

Das Besondere am Sonnenobservatorium Sunrise ist sein ungewöhnlicher Beobachtungsstandort: Von einem riesigen Heliumballon getragen, steigt es bis auf etwa 35 Kilometer Höhe auf – und lässt so den größten Teil der Erdatmosphäre unter sich. „Die Turbulenzen in der Atmosphäre ,verwackeln' zwangsläufig alle Aufnahmen erdgebundener Teleskope“, erklärt Sunrise-Projektleiter Dr. Peter Barthol vom MPS. Das Sunrise-Teleskop hingegen genießt einen einzigartigen Blick auf die Sonne – und kann so Strukturen von weniger als 100 Kilometern Größe sichtbar machen. Auf der Reiseflughöhe angekommen, erfassen Polarwinde Ballon und Gondel und tragen sie westwärts um den Nordpol herum. „Dank der Mitternachtssonne in den Breiten nördlich des Polarkreises werden wir beim Flug die Sonne rund um die Uhr im Blick haben“, so Barthol. Nach etwa sechs- bis siebentägigem Flug soll das Observatorium am Fallschirm im Norden Kanadas landen.

„Der Erstflug vor vier Jahren hat uns gezeigt, dass das gewagte Konzept aufgeht“, sagt Prof. Dr. Sami K. Solanki, Direktor am MPS und wissenschaftlicher Leiter des Projekts. Sunrise lieferte einzigartige Bilder und konnte erstmals die magnetischen Grundbausteine der Sonne sichtbar machen.  In den komplexen Magnetfeldern der Sonne vermuten Forscher den Schlüssel zu vielen Geheimnissen der Sonne, etwa der Frage, warum die äußere Schicht der Sonne, die so genannte Korona, mit drei Millionen Grad etwa 500 mal so heiß wie die darunterliegende Photosphäre.

Ebenfalls ungeklärt ist, warum die Aktivität der Sonne in einem etwa elfjährigen Zyklus schwankt. Ist die Sonne aktiv, finden sich besonders viele dunkle Sonnenflecken auf ihrer sichtbaren Oberfläche. Zudem kommt es in diesen Phasen verstärkt zu Sonneneruptionen, bei denen die Sonne Strahlung und Teilchen ins All schleudert. Diese können auf der Erde zu Stromausfällen führen oder Satelliten lahmlegen. „Vor vier Jahren hat sich uns eindrucksvoll gezeigt, dass dieser elfjährige Zyklus lediglich eine grobe Faustformel ist“, so Solanki. Denn anders als erwartet, verharrte die Sonne in einem ungewöhnlich langen Aktivitätsminimum. Sunrise 1 konnte weder Sonnenflecken noch -eruptionen beobachten. „Beim Zweitflug dürfte dies anders sein“, so Barthol. Denn seit Ende 2010 nimmt die Aktivität der Sonne wieder zu.

Seit Anfang April bereitet das Sunrise-Team unter Leitung des MPS auf der Weltraumbasis ESRANGE nahe Kiruna in Nordschweden nun den erneuten Start vor. „Sunrise ist vor zwei Monaten in vielen Kisten verpackt in Kiruna angekommen“, erinnert sich Barthol. „Seitdem haben wir die wissenschaftlichen Instrumente und das Teleskop kalibriert, in die Gondel eingebaut sowie alle Systeme und die Software getestet.“ Ein wesentlicher Aspekt dabei ist das so genannte Pointing: Das Teleskop muss während des Fluges selbstständig die Sonne finden und sich nach ihr ausrichten. Nach ersten Versuchen mit künstlichem Licht in der großen Halle, die Sunrise beherbergt, waren auch Tests außerhalb der Halle mit „echtem“ Sonnenlicht erfolgreich.

Wann genau Sunrise 2 abheben wird, ist noch unklar. In den nächsten Tagen steht als letzte Hürde ein Test an, bei dem das Team das Zusammenspiel aller Komponenten durchspielt: eine Art Generalprobe am Boden. Danach kann es jederzeit losgehen. „Der Starttermin ist jedoch stark vom Wetter abhängig“, erklärt Barthol. Denn nicht nur Regen, auch zu starker Wind verbietet ein Abheben. Dem Team bleibt somit nichts anders übrig als abzuwarten – auf das richtige Wetter und eine günstige Gelegenheit für die Reise zur aktiven Sonne.

Die Sunrise-Mission wird geleitet vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung im niedersächsischen Katlenburg-Lindau. Weitere Partner der Mission sind das High Altitude Observatory (Boulder, USA), das Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik (Freiburg im Breisgau), ein spanisches Konsortium unter Leitung des Instituto de Astrofisica de Canarias, das Lockheed-Martin Solar and Astrophysics Laboratory (Palo Alto, USA) und die Columbia Scientific Ballooning Facility der NASA.

Das MPS dankt zudem der Max-Planck-Förderstiftung und den Fördernden Mitgliedern der Max-Planck-Gesellschaft für ihre finanzielle Unterstützung des Projektes.

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