Startschuss für die Reise zum Feuerball

Die ESA hat die Mission Solar Orbiter genehmigt. Das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung beteiligt sich an sechs von zehn Instrumenten.

13. Oktober 2011
Wenn sich die Raumsonde Solar Orbiter 2017 näher an die Sonne heranwagt als je eine Weltraummission zuvor, werden auch wissenschaftliche Instrumente des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) der Hitze unseres Zentralgestirns trotzen. Die Europäische Weltraumagentur (ESA) hat diese einzigartige Mission, die ursprünglich von MPS-Wissenschaftlern vorgeschlagen wurde, nun genehmigt − und damit den offiziellen Startschuss für den Bau der Raumsonde und ihrer Nutzlast gegeben. Das MPS ist an insgesamt sechs der zehn Instrumente beteiligt. Hauptbeitrag des Instituts ist der Magnetograph SO/PHI, der durch die Atmosphäre des Feuerballs bis auf seine Oberfläche blicken wird.

„Solar Orbiter ist ohne Frage die bisher ambitionierteste Sonnenmission“, sagt Prof. Dr. Sami Solanki, Direktor am MPS und Leiter des SO/PHI-Teams. Zwar untersuchen derzeit mit SoHO, STEREO, Hinode und SDO bereits vier wissenschaftliche Raumsonden unser Zentralgestirn aus dem All. Doch drei von ihnen werden schon bald ihr Missionsende erreicht haben. Und während die bisherigen Sonden ganz in der Nähe der Erdbahn um die Sonne kreisen, wird sich Solar Orbiter dem Feuerball auf bis zu fast ein Viertel des Abstandes zwischen Erde und Sonne nähern. „So können wir die innere Heliosphäre nicht nur von außen beobachten, sondern mit Solar Orbiter direkt in sie eintauchen und das Plasma und Magnetfeld sowie die Wellen und Teilchen vor Ort messen“, erklärt Prof. Dr. Eckart Marsch vom MPS, der das internationale Team von Wissenschaftlern koordiniert hat, das die Mission vorgeschlagen hat. Zudem soll sich die Raumsonde im Verlauf der Mission aus der Ebene der Erdbahn herausbewegen und so erstmals den Blick auf die Pole der Sonne freigeben − eine Region, die den vorhergehenden Missionen nicht zugänglich war.

Ebenso einzigartig wie die Flugbahn von Solar Orbiter sind bei dieser Mission auch die technischen Herausforderungen. Zum einen ist die Gravitationskraft der Sonne, die in solcher Nähe wirkt, gewaltig. Um die gewünschte Flugbahn zu erreichen, muss die Raumsonde deshalb durch mehrfache Vorbeiflüge an den Planeten Erde und Venus Schwung aufnehmen. Zum anderen müssen Sonde und Instrumente vor der heißen Strahlung der Sonne geschützt werden. „Am sonnennächsten Punkt der Flugbahn strahlt die Sonne mehr als zehnmal so stark wie hier auf der Erde“, erklärt Solanki.

Damit Solar Orbiter dennoch einen kühlen Kopf behält, ist die Sonde mit einem Hitzeschild ausgerüstet, der einen Großteil der Strahlung abschirmt. Maßgeschneiderte Öffnungen erlauben den wissenschaftlichen Instrumenten einen Blick durch den Schild zur Sonne. Aufwändige Spezialfilter, die nur ausgewählte Bereiche des Sonnenlichtes passieren lassen, schützen zudem die optischen Instrumente. Im Fall des Magnetographen SO/PHI etwa erreichen nur vier Prozent der Sonnenstrahlung das Innere des Instrumentes.

Doch der große Aufwand wird sich lohnen. Denn viele Fragen der Sonnenphysik, die noch immer ungeklärt sind, lassen sich nur aus der Nähe beantworten. So gibt der Sonnenwind − ein Strom geladener Teilchen, den die Sonne ins All schleudert – Wissenschaftlern noch immer Rätsel auf. Wie wird dieser erzeugt? Und wie gelingt es der Sonne, diese Materiemassen auf Geschwindigkeiten von bis zu 800 Kilometern pro Sekunde zu beschleunigen? „Solar Orbiter wird den Sonnenwind erstmals in Sonnennähe noch innerhalb der Bahn von Merkur untersuchen können, kurz nachdem er die Sonne verlassen hat“, so Marsch. Gleichzeitig werden Beobachtungen seiner Quellregionen an der Sonnenoberfläche mit großer räumlicher und zeitlicher Auflösung möglich sein. Auf diese Weise lassen sich beide – der Sonnenwind und die ihn auslösenden Prozesse auf der Sonne – in Beziehung setzen. So können die Forscher die Verbindungen zwischen der Sonne und ihrem direkten  Einflussbereich, der Heliosphäre, herstellen und genauestens untersuchen.

Um dies zu erreichen, ist die Raumsonde mit ihren zehn wissenschaftlichen Instrumenten sehr gut ausgerüstet. Zu vier von ihnen trägt das MPS Komponenten bei, zu zweien sein wissenschaftliches Knowhow. Im Zentrum steht dabei der Magnetograph SO/PHI (Solar Orbiter/Polarimetric and Helioseismic Imager), der das Magnetfeld und die Teilchengeschwindigkeiten in der so genannten Photosphäre, der sichtbaren Oberfläche der Sonne, abbilden soll. Wissenschaftler des MPS sind für Entwicklung, Bau und Betrieb des Instrumentes verantwortlich. „In der Photosphäre vermuten wir die Ursachen für alle Phänomene, welche die Sonne weiter außen offenbart, wie etwa Sonnenwind und Sonneneruptionen“, erklärt Solanki. Das Instrument besteht aus zwei Teleskopen: Während das eine die gesamte Sonne im Blick hat, erlaubt das andere einen genaueren Blick auf einzelne Bereiche. Dieses hochauflösende Teleskop entsteht derzeit am MPS und soll Strukturen von nur 150 Kilometern Größe sichtbar machen. „Das ist die beste Auflösung der Photosphäre, die jemals vom Weltraum aus erreicht wurde“, so der PHI-Projektmanager Dr. Joachim Woch vom MPS.

Auch das Instrument EUI (Extreme Ultraviolet Imager) versorgen die Wissenschaftler und Ingenieure aus Katlenburg-Lindau mit einem von drei Teleskopen. EUI  wird vor allem die extrem kurzwellige ultraviolette Strahlung, die von der Korona der Sonne, also der äußeren Sonnenatmosphäre, ausgeht, untersuchen. „Dabei wollen wir eine möglichst rasche Bildabfolge erreichen“, erklärt Dr. Udo Schühle, der das EUI-Team am MPS leitet. „So kann das Instrument sehr schnelle Vorgänge in der Atmosphäre wie zum Beispiel Eruptionen im Zeitraffer sichtbar machen.“

Auch bei zwei weiteren entscheidenden Teilen den Instrumentariums auf Solar Orbiter, dem Spektrographen SPICE (Spectral Imaging of the Coronal Environment) und dem Koronographen METIS (Multi Element Telescope of Imaging and Spectroscopy) steuert das Team vom MPS wesentliche Komponenten wie einen Teleskopspiegel und eine neuartige Kamera bei.

Die Kosten dieser Vorhaben tragen das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) gemeinschaftlich.

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