Und läuft und läuft und läuft ...
Das Sonnenobservatorium SoHO, an dem auch das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung beteiligt ist, feiert sein 15. Dienstjubiläum.
Mit ihren 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord sollte die Raumsonde SoHO vor 15 Jahren erstmals ein umfassendes Bild der Sonne zeichnen – von den Schwingungen tief in ihrem Innern bis zu dem Strom geladener Teilchen, welche unser Stern als Sonnenwind ins All schleudert. Dabei erhofften sich die beteiligten Forscher unter anderem Einblicke in die Vorgänge in der Atmosphäre der Sonne, der so genannten Korona. Denn warum diese mehr als 200 mal so heiß ist wie die darunter liegenden Schichten, war vor 15 Jahren weitestgehend unklar. Und auch der Sonnenwind gab Wissenschaftlern damals noch viele Rätsel auf. Wo in der Korona hat er seinen Ursprung? Und wie werden die Teilchen ins All beschleunigt?
Dank der Messungen von SoHO sind Forscher in diesen Fragen ein gutes Stück weiter gekommen. Heute kennen Wissenschaftler die Quellen des schnellen und langsamen Sonnenwindes. Während die langsamen Teilchen mit einer Geschwindigkeit von 400 Kilometern in der Sekunde von der Äquatorregion der Sonne ins All strömen, sind die Entstehungsorte der etwa doppelt so schnellen Teilchen in der Nähe der Pole zu finden. Auch andere Messungen der Sonde offenbarten die Sonne als ausgesprochen dynamischen Stern, zeigten beispielsweise Wellen und Tornados in der Korona und lieferten Informationen über den inneren Aufbau der Sonnenflecken. Diese dunklen Gebiete auf der sichtbaren Oberfläche der Sonne überziehen unseren Stern mal mehr, mal weniger zahlreich in einem etwa elfjährigen Zyklus.
Für die Enträtselung dieses periodischen Verhaltens ist die Mission SoHO von andauernder Bedeutung. Denn SoHO ist das einzige Sonnenobservatorium, das einen kompletten Sonnenzyklus begleitet hat: das ungewöhnlich lange Aktivitätsminimum 2009 und das davorliegende Maximum im Jahre 2000. Nur SoHO konnte das solare Feuerwerk, das die besonders aktive Sonne damals bot, Tag für Tag aufzeichnen. Wenn die beiden Weltraumagenturen NASA und ESA, wie derzeit geplant, die Sonde 2013 oder 2014 außer Dienst stellen, hätte SoHO sogar zwei Sonnenzyklen erlebt.
Trotz dieser Erfolge hat SoHO in den vergangenen Jahren starke Konkurrenz bekommen. Im Oktober 2006 startete die Mission STEREO (Solar Terrestrial Relations Observatory) der amerikanischen Weltraumagentur NASA. Zwei identische Sonden, welche die Sonne von zwei getrennten Standorten wie zwei Augen beobachten, liefern seitdem dreidimensionale Bilder unseres Sterns. Seit Anfang dieses Jahres richtet zudem das Solar Dynamics Observatory (SDO) der NASA seinen Blick auf die Sonne. Mit der deutlich höheren räumlichen und zeitlichen Auflösung und einer Datenübertragungsrate von gewaltigen 1,5 Terabyte pro Tag ist die jüngere Sonde SoHO in dieser Hinsicht deutlich überlegen.
„Dennoch leistet SoHO noch immer wertvolle Dienste“, urteilt SUMER-Projektleiter Dr. Werner Curdt vom MPS. Ein Grund ist der einzigartige Beobachtungsstandort des Observatoriums. Denn SoHO kreist in einem Abstand von 1,5 Millionen Kilometern im Gleichtakt mit der Erde um die Sonne. Auf diese Weise hat SoHO unser Zentralgestirn 24 Stunden am Tag ununterbrochen im Blick. Besonders das Instrument LASCO (Large Angle and Spectrometric Coronograph), zu dem das MPS eine von drei Komponenten beigetragen hat, ergänzt die Mission STEREO – wie ein drittes Auge. Der Koronograph blendet die Sonnenscheibe aus und erlaubt so einen detaillierten Blick auf die Korona.
Ebenso bleibt das Instrument SUMER (Solar Ultraviolet Measurements of Emitted Radiation) an Bord von SoHO für Wissenschaftler von unschätzbarem Wert. Der Spektrograph, der unter Leitung des MPS entwickelt und gebaut wurde und noch immer betrieben wird, spaltet das Licht aus der Sonnenatmosphäre wie ein Prisma in seine einzelnen Komponenten auf. Auf diese Weise lassen sich etwa Druck, Temperatur und Strömungen in dem beobachteten Gebiet bestimmen. „Ein vergleichbares Instrument ist derzeit nicht in Betrieb – und in absehbarer Zukunft auch nicht geplant“, so Curdt.
Und ganz nebenbei hat SoHO in den vergangenen 15 Jahren einen zweiten, völlig unverhofften Rekord aufgestellt: Das Observatorium ist der erfolgreichste Kometenfinder aller Zeiten. Bis zum 26. Dezember 2010 gingen 2000 Entdeckungen neuer Kometen auf das Konto des Observatoriums. Nicht selten waren es Hobbyastronomen, die die Schweifsterne aufgespürt haben, denn die Aufnahmen von LASCO stehen im Internet jedermann zu Verfügung. Und nach sorgfältigem Auswerten finden sich in den Bildern jeden Monat in mehr als zehn Fällen die Spuren besonders sonnennaher Kometen – bestimmt auch noch in den nächsten Jahren.
SoHO in Kürze
Am 2. Dezember 1995 startete die Raumsonde SoHO der amerikanischen Weltraumagentur NASA und der europäischen Weltraumagentur ESA ins All. Ende Januar 1996 nahmen die zwölf wissenschaftlichen Instrumente in fünffacher Mondentfernung von der Erde ihren Betrieb auf.
Das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung ist an dreien dieser Instrumente beteiligt. SUMER entstand unter Leitung des MPS und wird von MPS-Wissenschaftlern betrieben. Zudem steuerte das MPS Komponenten zu den Instrumenten LASCO und CELIAS bei.
Auf der Grundlage von SUMER- und LASCO-Daten sind bis heute weltweit mehr als 1800 wissenschaftliche Veröffentlichungen entstanden.