Solar Orbiter erreicht erstes Perihel

Die ESA-Raumsonde macht Aufnahmen der Sonne aus bisher unerreichter Nähe.

15. Juni 2020

Die ESA-Raumsonde Solar Orbiter hat heute den sonnennächsten Punkt ihrer aktuellen Umlaufbahn um die Sonne erreicht. Nur etwa 77 Millionen Kilometer trennten die Sonde von unserem Zentralgestirn. Das ist etwas mehr als die Hälfte des Abstandes zwischen Sonne und Erde. Alle wissenschaftlichen Instrumente an Bord, die auf die Sonne blicken, werden heute oder in den nächsten Tagen eingeschaltet. Noch nie zuvor wurden Aufnahmen der Sonne aus solcher Nähe gemacht. Da sich die Mission viereinhalb Monate nach ihrem Start noch in einer frühen Phase befindet, dienen die Messdaten allerdings in erster Linie der Kalibration der Instrumente. In den nächsten Jahren wird Solar Orbiter auf zunehmend engeren Ellipsen um die Sonne kreisen und sich ihr so nach und nach auf 42 Millionen Kilometer annähern. Das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen ist an vier Messinstrumenten an Bord von Solar Orbiter beteiligt.

Solar Orbiter erreicht Perihel

Nur etwa 77 Millionen Kilometer trennen Solar Orbiter im Perihel von der Sonne.

Sechs der insgesamt zehn wissenschaftlichen Instrumente schauen auf die Sonne und ihre unmittelbare Umgebung. Noch sind diese Instrumente nicht abschließend in Betrieb genommen. Die heutigen Messungen und die der nächsten Tage dienen in erster Linie der Kalibration der Instrumente. „Auch wenn die Aufnahmen der Fernerkundungsinstrumente noch nicht Teil der wissenschaftlichen Messkampagne von Solar Orbiter sind, ist der heutige Tag ein Meilenstein“, erklärt Prof. Dr. Sami K. Solanki, Direktor am MPS und Leiter des Teams um das Doppelteleskop PHI (Polarimetric and Helioseismic Imager) an Bord von Solar Orbiter. „Noch nie hat ein Teleskop die Sonne aus so geringer Entfernung abgebildet“, fügt er hinzu.

Andere Raumsonden haben sich zwar schon näher an unser Zentralgestirn herangewagt. Die Sonde Parker Solar Probe der NASA etwa erkundet die Sonne seit zwei Jahren aus großer Nähe. Diese Vorgänger von Solar Orbiter waren und sind jedoch nicht mit Instrumenten ausgerüstet, die die Sonne abbilden. 

Wichtig für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist vor allem die räumliche Auflösung der Messdaten. Ziel ist es, möglichst kleine Strukturen auf der Sonne sichtbar zu machen. Im Laufe der Mission werden die Instrumente von Solar Orbiter einen schärferen Blick auf die Sonne bieten als andere Sonnenobservatorien im All. Nur einige bodengebundene Sonnenteleskope wie etwa das Anfang des Jahres in Betrieb genommene Daniel K. Inouye Solar Telescope auf Hawaii können mit ihren deutlich größeren Spiegeln kleinere Details abbilden. Anders als Solar Orbiter müssen die bodengebundenen Teleskope jedoch ohne die ultraviolette Strahlung von der Sonne auskommen. Diese wird zum Großteil in der Erdatmosphäre absorbiert.

Gerade die ultraviolette Strahlung ist für drei der Solar Orbiter-Instrumente, zu denen das MPS beigetragen hat, entscheidend. Die Instrumente EUI (Extreme-Ultraviolett Imager), SPICE (Spectral Imaging of the Coronal Environment) und der Koronograph Metis blicken auf die heißen äußeren Sonnenschichten, die vor allem Licht dieser Wellenlängen abstrahlen. Fast ebenso spannend wie der Blick auf die Sonne selbst ist für diese Instrumente der Stern Regulus im Sternbild Löwe, den die Sonne (aus Sicht von Solar Orbiter) während der Perihel-Passage verdeckt. Vorher und nachher wird er im Blickfeld der Solar Orbiter-Instrumente dicht neben der Sonne zu sehen sein. „Regulus wurde bereits von anderen Teleskopen wie etwa dem Weltraumteleskop Hubble eingehend untersucht. Es ist ein sehr heißer Stern, der deshalb vor allem ultraviolette Strahlung emittiert“, erklärt Dr. Luca Teriaca vom MPS, der zu den Teams von EUI, SPICE und Metis gehört. Der Stern ist für die Forscherinnen und Forscher deshalb ein optimaler Eichstern; mit seinem Licht können sie ihre Instrumente kalibrieren.

Trotz der eher technischen Zielsetzung der nächsten Tage werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber natürlich auch mit einem „wissenschaftlichen Auge“ auf die heutigen Aufnahmen schauen. Allzugroße Hoffnungen, etwas völlig Neuartiges zu entdecken, machen sie sich indes nicht. Die Sonne zeigt sich derzeit allerdings von ihrer eher eintönigen Seite: Seit Tagen schon ist kaum ein Sonnenfleck, kaum eine Eruption zu sehen. „Für die Kalibration kann dies allerdings sogar von Vorteil sein“, so MPS-Wissenschaftler Dr. Johann Hirzberger, Operations Scientist PHI.

Die Aufnahmen vom Perihel-Vorbeiflug werden im Laufe der kommenden Woche auf der Erde eintreffen und dann zunächst sorgfältig prozessiert. Mitte Juli werden die fertigen Bilder veröffentlicht.
 

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