Hohe Auszeichnung
für Prof. Dr. Ulrich Christensen
Die National Academy of Sciences hat den Göttinger Geophysiker in ihre Reihen aufgenommen.
Prof. Dr. Ulrich Christensen, emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen, ist zum auswärtigen Mitglied der US-amerikanischen National Academy of Sciences (NAS) gewählt worden. Die Vereinigung würdigt damit die maßgeblichen Beiträge Christensens zum Verständnis der dynamischen Prozesse im Innern der Erde und anderer Planeten. Eine Mitgliedschaft in der NAS gilt als eine der höchsten Auszeichnungen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Christensen stand von 2002 bis 2020 der Abteilung „Planeten und Kometen“ des MPS als Direktor vor. Seit seiner Emeritierung setzt er seine Forschung im Rahmen die Emeritusgruppe „Das Innere der Planeten“ fort und ist unter anderem an den aktuellen Weltraummission InSight und BepiColombo beteiligt.
Das Innere der Erde ist ein dynamischer Ort: Unter dem Einfluss des hohen Drucks ist das Gestein des Erdmantels in bis zu 2900 Tiefe verformbar und wälzt sich im Laufe von Millionen von Jahren in gewaltigen, behäbigen Strömen um; im darunterliegenden, flüssigen Erdkern erzeugen verwirbelte Bewegungen des flüssigen Eisen-Nickel-Gemischs in einem Dynamoprozess das Magnetfeld unseres Planeten. Beide Vorgänge sind Gegenstand der Forschung Christensens. Um die innere Dynamik der Erde zu verstehen, setzt der Geophysiker dabei in erster Linie auf numerische Simulationen.
Zu Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn stand der Erdmantel im Fokus von Christensens Forschungsinteresse. Diese massereichste Schicht des inneren Erdaufbaus gliedert sich in mehrere Unterschichten, die sich in ihrer chemischen Zusammensetzung und mineralogischen Beschaffenheit unterscheiden. Dabei ging Christensen der Frage nach, wie sich die Grenzen zwischen den einzelnen Unterschichten auf die Dynamik des strömenden Gesteins auswirken. In den späteren Jahren wandte sich der MPS-Forscher vermehrt den Vorgängen im Erdkern zu. So konnte er etwa den Energiefluss im flüssigen Erdkern als die zentrale physikalische Größe identifizieren, welche die Stärke des Magnetfeldes bestimmt.
Überlegungen dieser Art ermöglichten es Christensen, die Dynamotheorie der Erde auch auf andere Himmelskörper zu übertragen. Neben der Erde zeichnen sich beispielsweise auch die Gasriesen Jupiter und Saturn, der Merkur sowie einige Monde im Sonnensystem durch eigene Magnetfelder aus. Ziel seiner Arbeiten ist es, die Stärke des jeweiligen Magnetfeldes in Beziehung zu setzen zu den Vorgängen im Innern des Körpers.
Auch bei Christensens Beteiligung an der Marsmission InSight der amerikanischen Weltraumagentur NASA geht es um eine ähnliche Fragestellung. Messungen des missionseigenen Seismometers, das unter Mitwirken des MPS entwickelt und gebaut wurde, sollen Aufschluss geben über inneren Aufbau und Dynamik des Mars – und so helfen zu erklären, warum sich unser Nachbarplanet so gänzlich anders entwickelt hat als die Erde. Ein Magnetfeld etwa gab es dort höchstens vor langer Zeit.
In den vergangenen Jahren hat sich das Forschungsinteresse Christensens zudem noch weiter weg von der Erde verlagert – auf die Gemeinsamkeiten der magnetischen Eigenschaften von Planeten und von Sternen, die im Gegensatz zur Sonne besonders schnell rotieren.
Prof. Dr. Ulrich Christensen hat an der Technischen Universität Braunschweigt studiert und promoviert. Auf seine Habilitation an der Universität Mainz folgten Forschungsaufenthalte unter anderem in den USA und den Niederlanden. 1992 nahm Christensen einen Ruf an das Institut für Geophysik der Universität Göttingen an; 2002 wurde er Direktor am damaligen Max-Planck-Institut für Aeronomie, das heute den Namen Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung trägt. In den 18 Jahren unter seiner Leitung trug die Abteilung „Planeten und Kometen“ des MPS zu zahlreichen internationalen Weltraummissionen bei, die unter anderem die Planeten Merkur, Venus, Mars und Saturn aus der Nähe untersuchten sowie den Kometen Churyumov-Gerasimenko, den Asteroiden Vesta und den Zwergplaneten Ceres.
Zu den vielen Preisen und Ehrungen Christensens zählen der Gottfried-Wilhelm Leibniz Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die August Love Medaille der Europäischen Geowissenschaftlichen Union und die Inge-Lehmann-Medaille der Amerikanischen Geophysikalischen Union. Die jetzt verliehene Mitgliedschaft in der NAS würdigt Christensens herausragende Forschungsleistungen; sie gilt als eine der höchsten Auszeichnungen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit. Von den etwa 3000 Mitgliedern der NSA sind nur etwa ein Sechstel auswärtige Mitglieder.