Neuer Max Planck Fellow am MPS
Prof. Dr. Thorsten Hohage will mit mathematischen Methoden ins Innere der Sonne schauen.
Der Mathematiker Prof. Dr. Thorsten Hohage von der Universität Göttingen ist zum neuen Max Planck Fellow am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) berufen worden. In den kommenden fünf Jahren wird Hohage stärker als bisher mit dem MPS und anderen Partnern des Göttingen Campus zusammenarbeiten. Eines der Ziele der gemeinsamen Forschung wird es sein, numerische Methoden zu verfeinern, die aus Beobachtungen der Sonnenoberfläche die Eigenschaften im Innern des Sterns rekonstruieren.
Das Innere der Sonne ist direkten Beobachtungen nicht zugänglich. Stattdessen müssen Forscher Messdaten der Oberfläche nutzen, um aus ihnen Vorgänge und Prozesse im Innern abzuleiten. Informationen auf diese Weise zu gewinnen, bezeichnen Mathematiker als inverses Problem: Aus einer Wirkung soll die zugehörige Ursache berechnet werden. Aufgabenstellungen dieser Art sind meist instabil und daher schwer zu lösen.
Entsprechende Lösungsverfahren kommen in einer Vielzahl von Anwendungen zum Einsatz. Bei vielen medizinischen Bildgebungsverfahren wie etwa der Magnetresonanztomografie geht es beispielsweise darum, präzise Innenansichten des menschlichen Körpers zu rekonstruieren. Um schnellveränderliche Prozesse abzubilden, müssen auch die Rekonstruktionen rasch berechnet werden können. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Jens Frahm vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie und Prof. Dr. Martin Uecker von der Universitätsmedizin Göttingen konnte Hohage die mathematischen Grundlagen für die Echtzeit-Magnetresonanztomografie schaffen. Zudem kooperiert der Forscher mit dem Göttinger Nobelpreisträger Prof. Dr. Stefan Hell auf dem Gebiet der 4Pi-Mikroskopie.
Als Max Planck Fellow wendet sich Hohage nun seinem bisher größten Forschungsobjekt zu: der Sonne. Seit Jahren schon bemüht sich Hohage im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 963 „Astrophysikalische Strömungsinstabilität und Turbulenz“ zusammen mit Prof. Dr. Laurent Gizon vom MPS neue Inversionsmethoden für die Helioseismologie zu entwickeln. Eines der Hauptziele der Sonnenphysik – und eines der Forschungsschwerpunkte des MPS – ist es, das zyklische Verhalten der Sonne zu verstehen. Warum schwankt die Stärke des solaren Magnetfeldes in einem etwa elfjährigen Rhythmus? Forscher halten die Plasmaströme im Innern der Sonne dafür verantwortlich - und die Helioseismologie für die einzige Möglichkeit, diese sichtbar zu machen. Dafür muss das entsprechende inverse Problem gelöst werden. „Das inverse Problem für die Helioseismologie ist numerisch besonders schwer zu handhaben“, erklärt Gizon. Kleine Ungenauigkeiten in den Messdaten können sich dramatisch auf das Ergebnis der Rechnung auswirken. „Prof. Hohage konnte die Analyse solch kleiner Messungenauigkeiten bereits deutlich verbessern und so die Effizienz der Inversion steigern“, fügt Gizon hinzu.
Dennoch besteht weiterhin die Schwierigkeit, dass für die inneren Ströme der Sonne mehrere Lösungen der Rechnung in Frage kommen. „Diesem Problem kann man begegnen, indem man sinnvolle physikalische Eigenschaften der Lösung berücksichtigt und dieses Wissen in die Rechnungen einbezieht“, erklärt Hohage. So wollen Hohage und Gizon beispielsweise in den nächsten Jahren untersuchen, wie sich die Annahme auswirkt, dass sich die Gesamtmasse des Systems nicht verändert.
Inverse Probleme haben es Prof. Hohage schon früh in seiner wissenschaftlichen Karriere angetan. Nach dem Studium der Physik und der Mathematik an den Universitäten in Marburg und Göttingen beschäftigte er sich bereits in seiner Diplomarbeit mit diesem Forschungsgebiet. Auf die Promotion an der Johannes-Kepler-Universität Linz folgte ein zweijähriger Forschungsaufenthalt am Konrad-Zuse-Zentrum in Berlin. 2002 wurde Hohage als Juniorprofessor an die Universität Göttingen berufen; seit 2007 hält er dort eine ordentliche Professur und leitet die Arbeitsgruppe „Inverse Probleme“ am Institut für Numerische und Angewandte Mathematik.
Das Max Planck Fellow Programm der Max Planck Gesellschaft (MPG) fördert die enge Zusammenarbeit von herausragenden Hochschulprofessorinnen und -professoren mit Wissenschaftlern eines Max-Planck-Instituts. Der Max Planck Fellow erhält die Möglichkeit, eine Arbeitsgruppe am jeweiligen Max-Planck-Institut zu leiten. Die Fellowship ist auf fünf Jahre begrenzt. Derzeit sind in der MPG 51 Max Planck Fellows aktiv.