Wie der Rosetta-Komet seine Form erhielt

Zwei Kometen sind in der Anfangszeit des Sonnensystems mit geringer Geschwindigkeit zusammengestoßen. Dadurch entstand der Rosetta-Komet.

28. September 2015

Seit die ESA-Raumsonde Rosetta im Juli 2014 entdeckte, dass der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko eine oft als entenförmig beschriebene Gestalt hat, stellt sich die Frage, wie es zu dieser merkwürdigen Form kommen konnte. Sind zwei Kometen zusammengeprallt und haben sich vereinigt? Oder handelt es sich um nur einen Körper, der an der heute dünnsten Stelle, dem Hals, besonders viel Material verloren hat? Forscher des OSIRIS-Teams liefern nun eine eindeutige Antwort auf diese Frage: Die Form des Rosetta-Kometen ergab sich durch den Zusammenprall zweier Kometen, die getrennt voneinander entstanden waren. Die Forscher haben dafür die Schichtstrukturen, die sich überall auf 67P zeigen, in Aufnahmen des wissenschaftlichen Kamerasystems OSIRIS vom 6. August 2014 bis zum 17. März 2015 ausgewertet.

“Die Aufnahmen zeigen deutlich, dass die äußere Hülle beider Kometenteile in Schichten aufgebaut ist. Wir glauben, dass sich diese Schichtstruktur mehrere hundert Meter in die Tiefe fortsetzt“, erklärt Matteo Massironi von der Universität von Padova (Italien), Erstautor der neuen Studie, die heute im Fachmagazin Nature erscheint und auf der Fachtagung European Planetary Science Congress in Nantes (Frankreich) vorgestellt wird. Man könne sich den Kometen ein wenig wie eine Zwiebel vorstellen, fügt er hinzu. Allerdings handele es sich in diesem Fall um zwei Zwiebeln unterschiedlicher Größe, die getrennt voneinander gewachsen sind, bevor sie sich vereinigten.

Um zu diesem Schluss zu kommen, haben Massironi und seine Kollegen anhand von OSIRIS-Aufnahmen mehr als hundert Terrassen und parallel verlaufende Schichtstrukturen auf der Kometenoberfläche identifiziert. Mit Hilfe eines dreidimensionalen Modells des Kometen ließ sich dann feststellen, in welche Richtungen die Schichten geneigt sind und wie sie unter der Oberfläche weiter verlaufen.

Schnell wurde deutlich, dass die Strukturen auf beiden Kometenteile kohärent orientiert sind und zum Teil bis zu 650 Meter in die Tiefe reichen. „Dies war der erste Hinweis darauf, dass beide Kometenteile unabhängig voneinander entstanden sind“, so Massironi. Ein weiterer Hinweis: Die Schichten in der Nähe des Halses, also der Region zwischen den beiden Teilen, sind in entgegengesetzte Richtungen geneigt.

„Um ganz sicher zu sein, haben wir uns auch den Zusammenhang zwischen der lokalen Gravitation und der Ausrichtung der Schichtstrukturen angesehen“, fügt der Forscher hinzu. Im Allgemeinen sollten sich Materialschichten im rechten Winkel zur Gravitationsrichtung eines Objektes bilden. Das Team nutzte Computermodelle, um die Stärke und Richtung der Gravitation überall dort zu bestimmen, wo Schichten zu erkennen sind.

In einem Fall modellierten sie den Kometen als einheitlichen Körper mit einem Massenschwerpunkt in der Nähe des Halses. Im anderen Fall nahmen sie zwei getrennte Kometen an, beide mit eigenem Masseschwerpunkt. Die tatsächlichen Orientierungen auf 67P passen besser zu diesem zweiten Fall. „Dies deutet darauf hin, dass sich die Schichten bildeten, bevor Körper und Kopf des Kometen verschmolzen“, so Massaroni. „Allerdings bleiben nur bei einem langsamen Zusammenstoß die Schichtstrukturen auch in der Tiefe erhalten.“

„Die auffälligen, strukturellen Ähnlichkeiten beider Kometenteile legt zudem nahe, dass sie auf ähnlichem Wege entstanden sind“, so Koautor Björn Davidsson von der Universität in Uppsala (Schweden). Die Forscher weisen darauf hin, dass auch, wenn Erosion nicht der ausschlaggebende Grund für die entenförmige Gestalt des Kometen ist, dieser Prozess eine wichtige Rolle für die heutige Entwicklung des Kometen spielt. Lokale Variationen in den Oberflächenstrukturen sind wahrscheinlich auf  verschiedene Sublimationsraten der gefrorenen Gase in den einzelnen Schichten zurückzuführen.

“Seit wir den Kometen zum ersten Mal gesehen haben, ist eine der Hauptfragen, warum er eine solch merkwürdige Form hat“, so Holger Sierks vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen, Leiter des OSIRIS-Teams und Koautor der Studie. „Nun können wir mit Sicherheit sagen, dass dieser Körper aus zweien entstanden ist.“

„Dieses Ergebnis trägt zu unserem wachsenden Verständnis des Kometen, seiner Entstehung und Entwicklung bei“, so Matt Taylor, wissenschaftlicher Leiter der Mission. „Rosetta wird den Kometen ein weiteres Jahr lang beobachten, um ein Maximum an Information über diesen Himmelskörper und seinen Platz im Sonnensystem zu erhalten.“

Rosetta ist eine Mission der Europäischen Weltraumagentur ESA mit Beiträgen der Mitgliedsstaaten und der amerikanischen Weltraumagentur NASA. Rosettas Landeeinheit Philae wurde von einem Konsortium unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) und der französischen und italienischen Weltraumagentur (CNES und ASI) zur Verfügung gestellt. Rosetta ist die erste Mission in der Geschichte, die einen Kometen anfliegt, ihn auf seinem Weg um die Sonne begleitet und eine Landeeinheit auf seiner Oberfläche absetzt.

Das wissenschaftliche Kamerasystem OSIRIS wurde von einem Konsortium unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Zusammenarbeit mit CISAS, Universität Padova (Italien), Laboratoire d'Astrophysique de Marseille (Frankreich), Instituto de Astrofísica de Andalucia, CSIC (Spanien), Scientific Support Office der ESA (Niederlande), Instituto Nacional de Técnica Aeroespacial (Spanien), Universidad Politéchnica de Madrid (Spanien), Department of Physics and Astronomy of Uppsala University (Schweden) und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze der TU Braunschweig gebaut. OSIRIS wurde finanziell unterstützt von den Weltraumagenturen Deutschlands (DLR), Frankreichs (CNES), Italiens (ASI), Spaniens (MEC) und Schwedens (SNSB).

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