Planetarer Striptease

Astronomen zeigen, dass die Atmosphären von Super-Erden durch die Strahlung ihrer Sterne abgestreift und weggeblasen werden

15. April 2016
Exoplaneten die etwas größer als die Erde und kleiner als Neptun sind - sogenannte "Super-Erden" oder "Mini-Neptuns" -  gehören zu den am häufigsten vorkommenden Planeten in unserer Milchstraße. Theorien zufolge gibt es aber einen Ort, an dem sie nicht vorkommen können: in unmittelbarer Nähe ihres Heimatsterns. Dort führt die starke Strahlung zu einem Verlust der Atmosphäre, übrig bleibt den Theorien zufolge nur der felsige Kern. Eine Bestätigung dieser Theorie scheiterte aber bisher an den Ungenauigkeiten der Beobachtungsdaten. Nun ist es einem internationalen Forscherteam mit Beteiligung des MPS gelungen, die Radien der Planeten und die Strahlung der Sterne genauer zu bestimmen und eindeutig zu zeigen: es gibt sie wirklich, die „Wüste“, in der sich keine Supererden befinden. Details erläutert die folgende Pressemitteilung der Universität Heidelberg:

Planeten der Kategorie „Super-Erde“ verlieren ihre Atmosphäre, wenn sie zu nahe um ihren Stern kreisen. Dies ist das Resultat eines internationalen Forschungsprojekts, das von der Astronomin Dr. Mia Lundkvist koordiniert wurde, die an der Landessternwarte Königstuhl des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) forscht. Auf der Grundlage einer Analyse von Messdaten des NASA-Satelliten „Kepler“ fanden die Wissenschaftler heraus, dass eine vom Stern ausgehende Strahlung den Atmosphärenverlust bewirkt: Die Atmosphäre wird gewissermaßen in den Weltraum geblasen und lässt einen „entblößten“ Planetenkern zurück. Bei Super-Erden handelt es sich um Exoplaneten, die außerhalb unseres Sonnensystems ferne Sterne umkreisen und zu den häufigsten Planeten in der Milchstraße zählen. Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.


Planeten bestehen in der Regel aus einem festen Kern und einer Atmosphäre. Für Planeten mit einem gut 2,2- bis 3,8-fachen Radius der Erde – sogenannte Super-Erden – kann die Atmosphäre dabei einen Großteil des Volumens ausmachen, ähnlich wie bei Neptun. Sollten diese Planeten allerdings einer zu intensiven Strahlung durch ihren Stern ausgesetzt sein, können Teile oder sogar ihre komplette Gashülle in den Weltraum entweichen. Im Extremfall bleibt nur noch der feste kleine Kern des Planeten zurück, so dass dieser viel kleiner erscheint als zuvor. Diese Situation scheint vor allem bei einer Strahlungsintensität einzutreten, die das 650-Fache der Strahlung übertrifft, die die Erde von der Sonne erhält. „Es gab bereits vor längerer Zeit die theoretische Vorhersage dieses Phänomens. Unsere Ergebnisse belegen, dass dies in der Tat der Fall ist“, betont Dr. Lundkvist, die als Postdoktorandin an der Landessternwarte Königstuhl tätig ist.


Auf dem Weg zu diesem Forschungsergebnis haben die Wissenschaftler zunächst die Größe der Sterne, ihre Helligkeit und den Abstand der Planeten zu ihrem jeweiligen Stern gemessen. Daraus konnte die Strahlungsintensität in der Umlaufbahn des Planeten berechnet werden. Um die notwendige Messgenauigkeit zu erreichen, hat das Heidelberger Team Daten des NASA-Satelliten „Kepler“ ausgewertet. Der Satellit hatte die Planetensysteme ursprünglich entdeckt und das Licht der Sterne vier Jahre lang mit sehr hoher Genauigkeit aufgezeichnet. Mit diesen Daten konnten die Astronomen sogenannte „Sternenbeben“ messen, die sich durch kleinste Helligkeitsveränderungen der Sterne verraten. Daraus berechneten sie die Struktur, Größe und Helligkeit der jeweiligen Sterne. „Unser Team hat mit den Methoden der Asteroseismologie die Menge der auf einen Planeten einfallenden Strahlung sehr gut bestimmen können. Das ist ein Meilenstein, um die Entstehung und Entwicklung von Planetensystemen besser zu verstehen“, erläutert Mia Lundkvist. Gezeigt werden konnte dabei auch, dass es keine Super-Erden gibt, die sehr nahe um ihren Stern kreisen. „Es ist hier wieder deutlich zu sehen, dass man Planeten nur dann wirklich charakterisieren kann, wenn man auch die dazugehörigen Sterne untersucht“, ergänzt Saskia Hekker. Sie ist Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und war an der Studie beteiligt.


Der Heidelberger Forschungsgruppe gehören insgesamt 29 Astronominnen und Astronomen an. Ein Großteil von ihnen arbeitet am astrophysikalischen Forschungszentrum der dänischen Aarhus Universität. Im kommenden Jahr startet die NASA eine Nachfolgemission für den „Kepler“-Satelliten. Die Experten gehen davon aus, dass dieser Satellit noch weit mehr Planeten finden wird, darunter auch solche, deren Atmosphäre ebenfalls von ihrem Stern „weggeblasen“ wurde.

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