Jupiters Wirbelstürme drehen anders

Computersimulationen erklären Auftreten und Drehrichtung von Jupiters Antizyklonen.

30. November 2015

Die zahlreichen Wirbelstürme, die den Riesenplaneten Jupiter überziehen, entstehen durch aufwärtsgerichtete Gasströme tiefer in seinem Innern. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der Universität von Alberta (Kanada) und des Max-Planck-Instituts für Sonnenforschung (MPS) in Göttingen in umfangreichen Computersimulationen. Die aufsteigenden Ströme werden in höherliegenden, stabilen Gasschichten abgelenkt und durch die Coriolis-Kraft verwirbelt. Dem neuen Modell gelingt es erstmals nachzubilden, dass die Jupiter-Wirbelstürme vor allem in breiten Bändern nördlich und südlich des Äquators auftreten. Dort findet sich auch der Große Roter Fleck, ein gigantischer und seit Jahrhunderten stabiler Wirbelsturm in der Atmosphäre des Gasplaneten. Das Modell erklärt auch, warum die Jupiter-Stürme einen anderen Drehsinn haben als die auf der Erde. Die Forscher berichten von ihren Ergebnissen heute in der Fachzeitschrift Nature Geoscience.  

Die Atmosphäre des Gasriesen Jupiter ist ein unruhiger Ort. Ausgedehnte ostwärts und westwärts gerichtete Windbänder treiben Wolken aus gefrorenen Ammoniakkörnchen mit Geschwindigkeiten von bis zu 550 Kilometern pro Stunde um den Planeten. Andere Regionen werden von riesigen langlebigen Wirbelstürmen dominiert. Der größte ist der Große Rote Fleck, ein riesiger Antizyklon, der stellenweise bis zu zwei Erddurchmesser misst und seit mindestens 350 Jahren besteht. Wie genau diese Wetterphänomene zustande kommen, lässt sich bisher nur bruchstückhaft erklären.

All diese großen Wirbelstürme drehen sich entgegengesetzt zur Rotation des Planeten. Bei der Erde ist das andres herum. Wie Jupiters Stürme entstehen und warum sie sich so von denen auf der Erde unterscheiden, war lange umstritten. „Unsere hoch auflösenden Computersimulationen zeigen nun, dass ein Zusammenspiel zwischen den Bewegungen im tiefen Inneren des Planeten und einer äußeren stabilen Schicht entscheidend ist“, fasst Johannes Wicht vom MPS die neuen Ergebnisse zusammen.

Jupiter besteht im Wesentlichen aus  Wasserstoff und Helium. Das Gasgemisch wird unter dem hohen Druck der darüber liegenden Massen bei etwa 90 Prozent des Planetenradius metallisch und damit elektrisch leitend. Weiter außen liegt das Gas in seinem nicht metallischem „Normalzustand“ vor. Messungen legen nahe, dass der äußerste Teil jener Schicht, in den sich die beobachtbaren Wetterphänomene abspielen, stabil geschichtet ist.

Die Simulationen der kanadischen und deutschen Forscher berücksichtigen erstmals auch diese stabile Schicht in einem aufwändigen Computermodell. „Wir simulieren nur die 7000 Kilometer der nicht-metallischen Schicht, da das Magnetfeld in tieferen Regionen die Dynamik entscheidend verlangsamt. Die äußeren 5 Prozent davon, also 350 Kilometer, sind stabil geschichtet“, erklärt MPS-Wissenschaftler Thomas Gastine.

Angetrieben von der Wärme weiter innen im Kern des riesigen Planeten steigt das Gas in Paketen nach oben, ähnliche wie kochendes Nudelwasser. Die darüber liegenden, stabilen Luftschichten der Jupiteratmosphäre stellen aber eine Barriere dar. „Nur wenn der Auftrieb des Gaspaketes stark genug ist, kann es in diese Schicht eindringen und breitet sich darin horizontal aus. Unter dem Einfluss der Planetendrehung wird die horizontale Bewegung verwirbelt, so wie wir es auch bei den Wirbelstürmen auf der Erde beobachten“, erklärt Wicht. Wenn das Gas genug abgekühlt ist, sinkt es wieder in die Tiefen der Atmosphäre. „Aus dem Zusammenspiel von Auftrieb, horizontaler Bewegung, Drehbewegung und Absinken ergibt sich eine charakteristische Signatur, die genauso auf Jupiter beobachtet wurde“, fährt Wicht fort. Dazu gehört ein kälterer antizyklonischer Kern mit einer typischen Ausdehnung und ein zyklonischer Ring, der dort entsteht, wo das Gas zurücksinkt. 

„Irdische Wirbelstürme haben einen ähnlichen Ursprung“, so Wicht. Auch dort verwirbelt die Coriolis-Kraft der Erddrehung aufsteigende Luftmassen. Allerdings drehen sich die Zyklone der Erde in die entgegengesetzte Richtung. Der Grund: Beim Jupiter entstehen die Wirbel wenn aufsteigendes Gas in der oberen Atmosphärenschicht auseinanderstrebt. Auf der Erde hingegen beginnen sie am Boden, wo Luft zusammen kommt und dann aufströmt.

„Die Verhältnisse in den inneren Gasschichten des Jupiter zu simulieren, ist allein deshalb schwierig, weil viele Eigenschaften dieser Region kaum bekannt sind“, erklärt Gastine. Als Anhaltspunkt dienten den Forschern Daten der NASA-Raumfähre Galileo. Diese konnte eine kleine Messsonde absetzen, die mehr als 100 Kilometer unter die Wolkenschicht vordrang, bis sie bei einem Druck von 24 bar zerstört wurde.

Im Ergebnis bieten die neuen Rechnungen ein ausgesprochen realistisches Bild der obersten Gasschichten des Jupiters. Die Ströme aus dem Inneren erzeugen die Antizyklone nicht überall, sondern bevorzugt in der Nähe der Pole und in bestimmten Bändern ober- und unterhalb des Äquators. Dabei nimmt die Größe der Wirbel mit der Entfernung zum Äquator ab. Das deckt sich mit Beobachtungen. „Die Regionen werden durch die Dynamik im Inneren des Planeten bestimmt, insbesondere durch die Wechselwirkung der aufsteigenden Gaspakete mit den ostwärts und westwärts gerichteten Windbändern, die das Computermodell ebenfalls realistisch wiedergibt“, ergänzt Wicht.

„Die tatsächliche Lebensdauer der Wirbelstürme konnten wir allerdings nicht rekonstruieren“, so Wicht. Während typische Jupiter-Wirbelstürme bis zu einige Jahre überdauern, verlieren sich die Modell-Stürme bereits nach Tagen. Dies liegt wahrscheinlich an dem Wert für die Viskosität der Jupitergase, den die Forscher für ihre Rechnungen angenommen haben. Dieser wurde absichtlich zu hoch gewählt, um die benötigte Rechenzeit zu begrenzen.

Doch selbst mit realistischerer Viskosität und unbegrenzter Rechenleistung ließe sich die erstaunliche Beständigkeit des Großen Roten Flecks wohl nicht wiedergeben, so Wicht. „Wir beginnen gerade erst, die Wetterphänomene des Jupiter zu verstehen“, fügt er hinzu. „Neben seiner Größe und Beständigkeit weist der Rote Fleck noch andere Besonderheiten auf wie etwa seine charakteristische Farbe. Hier scheinen Prozesse mitzuwirken, die wir noch nicht kennen.“







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