Heiße Lavaströme auf der Venus
In Daten der Weltraummission Venus Express entdecken Forscher vier Stellen auf der Venusoberfläche, die plötzlich heißer werden.
Den bisher besten Hinweis auf aktiven Vulkanismus auf dem Planeten Venus hat ein internationales Forscherteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) jetzt vorgelegt. Die Wissenschaftler werteten Messdaten der Venus Monitoring Kamera (VMC) aus, die bis Ende 2014 unseren Nachbarplaneten an Bord der ESA-Raumsonde Venus Express untersucht hatte. Sie identifizierten vier Regionen auf der Planetenoberfläche, deren Temperatur im Laufe weniger Tage dramatisch angestiegen war. Die Größe und Temperatur des kleinsten dieser „Hotspots“ schätzen die Forscher auf etwa einen Quadratkilometer und 830 Grad Celsius. Die Ergebnisse erscheinen diesen Monat in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters.
Die Venus gilt als Schwester der Erde: Beide Planeten sind fast gleich groß und im Inneren ähnlich aufgebaut. Forscher halten es deshalb für wahrscheinlich, dass unser Nachbarplanet im Kerne eine Wärmequelle besitzt, etwa zerfallende radioaktive Elemente. Die entstehende Wärme muss irgendwie entweichen. Eine Möglichkeit dafür bieten Vulkanausbrüche. Einige Modelle der Planetenentwicklung deuten sogar daraufhin, dass vor etwa 500 Millionen Jahren eine gewaltige Lavaflut die Oberfläche des Planeten komplett umgestaltete. Die Frage, ob Venus noch immer vulkanisch aktiv ist, gehört deshalb zu den meist diskutierten der Planetenforschung.
Das bisher stichhaltigste Anzeichen von Aktivität hat jetzt ein Forscherteam in Daten der Weltraumkamera VMC an Bord der Raumsonde Venus Express gefunden. In Infrarotaufnahmen, die nur wenige Tage auseinander lagen, entdeckten die Wissenschaftler stark lokalisierte Veränderungen der Oberflächenhelligkeit. „Wir haben Stellen auf der Oberfläche gefunden, die rasch sehr heiß werden und sich dann wieder abkühlen“, erklärt Eugene Shalygin vom MPS, Erstautor der neuen Studie. Die vier „Hotspots“ liegen in einem Gebiet, das aus Radaruntersuchungen als tektonische Riftzone bekannt ist. „Dies ist der bisher spannendste Hinweis auf aktiven Vulkanismus auf der Venus“, fügt der Forscher hinzu. Die heißen Stellen finden sich in der Atla Region entlang der Ganiki Riftzone, einem Grabenbruch in der Nähe der Vulkane Ozza Mons und Maat Mons.
Bereits 2010 hatten Forscher Auffälligkeiten in der Infrarotstrahlung aus drei vulkanischen Regionen auf der Venus entdeckt. Die Strahlung unterschied sich von der aus anderen Gebieten. Dort könnten sich erstarrte, aber vergleichsweise junge Lavaströme befinden, die noch nicht stark verwittert sind. Sie müssten weniger als 2,5 Millionen Jahre alt sein.
Einen weiteren Hinweis gab es 2012. Forscher fanden, dass die Konzentration von Schwefeldioxid in der oberen Venusatmosphäre in den Jahren 2006 bis 2007 dramatisch angestiegen war. Danach folgte ein fünfjähriger, langsamer Abfall. Verantwortlich könnten zwar auch Veränderungen der Windbewegungen sein. Doch auch Vulkane könnten die Atmosphäre mit großen Mengen an Schwefeldioxid anreichern. Die neuen Ergebnisse, die jetzt veröffentlicht wurden, setzen die Reihe dieser Entdeckungen fort.
“Unsere Beobachtungen bewegen sich am Rande dessen, was Venus Express leisten kann. Es war ausgesprochen schwierig, diese Helligkeitsveränderungen durch die dicke Wolkendecke hindurch zu detektieren“, sagt Koautor Wojciech Markiewicz vom MPS. Da der Blick der Kamera durch die dichten Venuswolken verschmiert wird, scheint es zunächst so, als erstreckten sich die Stellen erhöhter Infrarotabstrahlung über mehr als 100 Kilometer. Die wirklichen „Hotspots“ sind jedoch wahrscheinlich viel kleiner. Für den kleinsten berechnete das Team eine Größe von etwa einem Quadratkilometer und eine Temperatur von 830 Grad Celsius. Die globale Durchschnittstemperatur auf der Venus beträgt 480 Grad Celsius.
Die Ganiki Chasma-Region galt bereits bisher als Gebiet, mit der jüngsten geologisch Vergangenheit. Die neue Studie legt nun nahe, dass sie noch immer aktiv ist. „Es sieht so aus, als könnten wir Venus endlich in die kleine Gruppe von Körpern im Sonnensystem aufnehmen, die vulkanisch aktiv sind“, sagt Håkan Svedhem von der ESA, Venus Express Projektwissenschaftler. „Die Untersuchungen zeigen, dass unser nächster Nachbar sich bis zum heutigen Tag noch immer verändert. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die unterschiedliche Entwicklungen, die sich auf Erde und Venus vollzogen, zu verstehen.“