Rosetta: Woher stammt das Wasser der Erde?

Der Wasserdampf des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko gleicht nicht dem Wasser der Erde, wie Messungen mit Rosettas Massenspektrometer ROSINA zeigen.

10. Dezember 2014

Neue Messdaten der ESA-Mission Rosetta wecken Zweifel an der Theorie, dass Kometen einst die Erde maßgeblich mit Wasser versorgten. Eine internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Bern hat mit Hilfe des Massenspektrometers ROSINA den Wasserdampf in der Umgebung des Rosetta-Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko untersucht. Die Zusammensetzung gleicht nicht der des irdischen Wassers. Nach dem Kometen Halley ist der Rosetta-Komet erst der zweite Schweifstern, für den solche Messungen nicht aus weiter Ferne, sondern direkt vor Ort gelangen. Das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) als Mitglied der ROSINA-Kollaboration hat entscheidende Hardware-Komponenten zum Bau des Instrumentes beigesteuert. Von den neuen Ergebnissen berichtet das ROSINA-Team im Fachmagazin Science.

Kaum eine andere chemische Verbindung scheint so charakteristisch für unseren blauen Planeten zu sein wie Wasser. Dennoch ist das feuchte Nass ein Zuwanderer: In der Frühphase des Sonnensystems verdampften solche leicht flüchtigen Stoffe aus dem inneren Planetensystem und konnten sich nur fern der Sonne weit jenseits der Umlaufbahn des Mars anreichern. Auf welchem Weg das Wasser später zurückkam, versuchen Forscher zu klären, indem sie einen genauen Blick auf dessen molekulare Struktur werfen. Denn nicht alle Wassermoleküle sind gleich. Auf der Erde kommt auf etwa 6400 „normale“ Vertreter ein Molekül, bei dem ein Wasserstoffatom durch das schwerere Isotop Deuterium ersetzt ist. „Dieses Verhältnis könnte uns etwas über den Ursprung irdischen Wassers verraten“, erklären Axel Korth und Urs Mall vom MPS, Koautoren der neuen Studie. „Es gilt, im Sonnensystem Körper zu finden, die ähnliche Werte aufweisen.“

Lange Zeit kamen hauptsächlich Asteroiden, die zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter um die Sonne kreisen und somit vergleichsweise erdnahe Objekte sind, in Frage. Erst vor kurzem entdeckten Forschergruppen, dass auch die beiden kurzperiodischen Kometen 103P/Hartley2 und 45P/Honda-Mrkos-Pajdušáková erdähnliches Wasser enthalten. Als Entstehungsort dieser Körper galt bisher der so genannte Kuiper-Gürtel, eine Region weit jenseits der Umlaufbahn des Neptuns. Auch der Rosetta-Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko zählt zu dieser Kometenfamilie. Doch das Verhältnis von Deuterium zu Wasserstoff, das die Forscher um Kathrin Altwegg von der Universität von Bern nun fanden, reiht sich nicht in die Werte von 67Ps kosmischen Geschwistern ein. Auf dem Rosetta-Kometen stehen jedem Deuterium-Atom nur etwa 1880 normale Wasserstoffatome gegenüber.

Der Wert wirft zahlreiche grundsätzliche Fragen auf. So vermuten Forscher, dass in der Frühphase unseres Planetensystems das Deuterium einer einfachen Regel folgend verteilt war: Je ferner ein Objekt der Sonne war, desto mehr Deuterium lag dort im Vergleich zu normalem Wasserstoff vor. Messungen an Asteroiden und langperiodischen Kometen wie etwa Halley passten bisher gut ins Bild. Doch bereits die erdähnlichen Werte von 103P/Hartley2 und 45P/Honda-Mrkos-Pajdušáková sorgten für Verwirrung.

„Der Komet 67P fügt sich zwar wieder recht gut in die allgemeine Theorie ein“, so Mall. „Doch offenbar bilden die Vertreter dieser Kometenfamilie eine ausgesprochen heterogene Gruppe.“ Die Wissenschaftler schließen aus ihren Ergebnissen, dass möglicherweise nicht wie bisher angenommen alle kurzperiodischen Kometen dem Kuiper-Gürtel entstammen. Einige wie etwa 103P/Hartley2 und 45P/Honda-Mrkos-Pajdušáková könnten einst Asteroiden gewesen sein, die erst viel später auf kometenartige Umlaufbahnen gelangten. Somit wäre erdähnliches Wasser ursprünglich weiterhin den Asteroiden vorbehalten - und diese Körper somit die Hauptkandidaten für die kosmischen Wasserlieferungen zur Erde.

Verantwortlich für die neuen Messungen war das Massenspektrometer ROSINA (Rosetta Orbiter Spectrometer for Ion and Neutral Analysis), eines der zehn wissenschaftlichen Instrumente des Rosetta-Orbiters. Mit seiner hohen Empfindlichkeit konnte ROSINA in der Zeit vom 8. August bis 4. September 2014 den Wasserdampf von 67P/Churyumov-Gerasimenko genau vermessen und so auch seltene Isotope verlässlich aufspüren.

„Eine Messung dieser Art, die das Verhältnis von Deuterium zu Wasserstoff direkt vor Ort am Kometen bestimmt, hat es zuvor vor 28 Jahren in weiter Entfernung vom Kometen Halley gegeben“, erklärt Korth. Damals raste die ESA-Raumsonde Giotto in einem Abstand von weniger als 600 Kilometern an dem Schweifstern vorbei. Im Vorbeiflug „schnupperte“ das Massenspektrometer an Bord am Wasserdampf des Kometen. Bei allen anderen Kometen, von denen das Verhältnis von Deuterium zu Wasserstoff bekannt ist, wurde der Wert aus großer Ferne und somit in indirekten Messungen bestimmt.

„Die aktuellen Ergebnisse sind allerdings eine Momentaufnahme“, gibt Mall zu bedenken. So sei es durchaus möglich, dass Messungen der nächsten Monate andere Werte liefern. Anders als Giotto und alle vorangegangenen Kometenmissionen bietet Rosetta die Möglichkeit, den Kometen auf seinem Weg zur Sonne zu begleiten und zu verfolgen, wie er sich verändert. Die zunehmende Aktivität von 67P könnte auch Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Wasserdampfs haben.

Rosetta ist eine Mission der Europäischen Weltraumagentur ESA mit Beiträgen der Mitgliedsstaaten und der amerikanischen Weltraumagentur NASA. Rosettas Landeeinheit Philae wurde von einem Konsortium unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) und der französischen und italienischen Weltraumagentur (CNES und ASI) zur Verfügung gestellt. Rosetta ist die erste Mission in der Geschichte, die einen Kometen anfliegt, ihn auf seinem Weg um die Sonne begleitet und eine Landeeinheit auf seiner Oberfläche absetzt.

Das Instrumentenpaket ROSINA (Rosetta Orbiter Spectrometer for Ion and Neutral Analysis) wurde von einem internationalen Konsortium unter Leitung der Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie der Universität Bern entwickelt und gebaut. Die Universität Bern stellt mit Kathrin Altwegg die wissenschaftliche Leiterin des ROSINA-Teams. Hardware-Komponenten wurde zur Verfügung gestellt vom Belgian Institute for Space Aeronomy (Brüssel, Belgien), dem Research Institute in Astrophysics and Planetology (Toulouse, Frankreich), dem Institut Pierre Simon Laplace (Paris, Frankreich), dem Lockheed Martin Advanced Technology Center (Palo Alto, USA), dem Max Planck Institute für Sonnensystemforschung  (Göttingen, Deutschland), dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze der TU Braunschweig (Braunschweig, Deutschland) und der University of Michigan (Ann Arbor, USA).

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