Eine Reise zur aktiven Sonne

Vier Jahre nach dem Erstflug hat das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise erneut abgehoben

12. Juni 2013

Nach etwa zwei Monaten Vorbereitungen im nordschwedischen Kiruna ist das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise am heutigen Mittwoch um 7.37 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ) gestartet. Das Team hatte seit Tagen auf günstige Witterung gewartet, ein erster Startversuch am 6. Juni musste abgebrochen werden. Jetzt werden Polarwinde den mit Helium gefüllten Ballon und die Gondel in den nächsten Tagen in mehr als 35 Kilometern Höhe um den Nordpol tragen. Während des Fluges wird Sunrise, ausgestattet mit dem größten Sonnenteleskop, das jemals den Erdboden verlassen hat, seinen einzigartigen Blick auf die Sonne richten.

Der Sonne entgegen: Sunrise steigt in den Himmel. Erst wenn der Ballon genau senkrecht über dem Sonnenobservatorium steht, gibt das Kranfahrzeug seine Last frei.

Das Besondere am Sonnenobservatorium Sunrise ist sein ungewöhnlicher Beobachtungsstandort: Von einem riesigen Heliumballon getragen, steigt es bis auf etwa 35 Kilometer Höhe auf – und lässt so den größten Teil der Erdatmosphäre unter sich. „Die Turbulenzen in der Atmosphäre verwackeln zwangsläufig alle Aufnahmen erdgebundener Teleskope“, sagt Sunrise-Projektleiter Peter Barthol vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.

Das Teleskop hingegen genießt einen einzigartigen Blick auf die Sonne – und kann so Strukturen von weniger als 100 Kilometern Größe sichtbar machen. Auf der Reiseflughöhe angekommen, erfassen Polarwinde Ballon und Gondel und tragen sie westwärts um den Nordpol herum. „Dank der Mitternachtssonne in den Breiten nördlich des Polarkreises werden wir die Sonne rund um die Uhr im Blick haben“, so Barthol. Nach etwa sechs- bis siebentägigem Flug soll das Observatorium am Fallschirm im Norden Kanadas landen.

„Der Erstflug vor vier Jahren hat uns gezeigt, dass das gewagte Konzept aufgeht“, sagt Sami K. Solanki, Max-Planck-Direktor und wissenschaftlicher Leiter des Projekts. Sunrise lieferte damals einzigartige Bilder und konnte erstmals die magnetischen Grundbausteine der Sonne sichtbar machen. In den komplexen Magnetfeldern des Sterns vermuten Forscher den Schlüssel zu vielen Geheimnissen – etwa der Frage, warum die äußere Schicht der Sonne, die sogenannte Korona, mit drei Millionen Grad etwa 500-mal so heiß ist wie die darunterliegende Photosphäre.

Ebenfalls ungeklärt ist, warum die Aktivität der Sonne in einem etwa elfjährigen Zyklus schwankt. Ist die Sonne aktiv, finden sich besonders viele dunkle Flecken auf ihrer sichtbaren Oberfläche. Zudem kommt es in diesen Phasen verstärkt zu Eruptionen, bei denen die Sonne Strahlung und Teilchen ins All schleudert. Diese können auf der Erde zu Stromausfällen führen oder Satelliten lahmlegen. „Vor vier Jahren hat sich uns eindrucksvoll gezeigt, dass dieser elfjährige Zyklus lediglich eine grobe Faustformel ist“, sagt Solanki.

Denn anders als erwartet, verharrte die Sonne in einem ungewöhnlich langen Aktivitätsminimum. Sunrise 1 konnte weder Sonnenflecken noch -eruptionen beobachten. „Beim Zweitflug dürfte das anders sein“, sagt Barthol. Denn seit Ende 2010 nimmt die Aktivität der Sonne wieder zu.

Blick in die Sonne: Sunrise wirft seinen Schatten in die Halle auf der Weltraumbasis Esrange nahe dem schwedischen Kiruna.

Seit Anfang April bereitet das Sunrise-Team unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung auf der Weltraumbasis Esrange nahe dem nordschwedischen Kiruna nun den erneuten Start vor. „Sunrise ist vor zwei Monaten in vielen Kisten verpackt in Kiruna angekommen“, erinnert sich Peter Barthol. „Seitdem haben wir die wissenschaftlichen Instrumente und das Teleskop kalibriert, in die Gondel eingebaut sowie alle Systeme und die Software getestet.“

Ein wesentlicher Aspekt dabei ist das sogenannte Pointing: Das Teleskop muss während des Flugs selbstständig die Sonne finden und sich nach ihr ausrichten. Nach ersten Versuchen mit künstlichem Licht in der großen Halle, die Sunrise beherbergt, waren auch Tests außerhalb der Halle mit echtem Sonnenlicht erfolgreich.

Wann genau Sunrise 2 abheben wird, ist noch unklar. In den nächsten Tagen steht als letzte Hürde ein Test an, bei dem das Team das Zusammenspiel aller Komponenten durchspielt: eine Art Generalprobe am Boden. Danach kann es jederzeit losgehen. „Der Starttermin ist jedoch stark vom Wetter abhängig“, erklärt Barthol. Denn nicht nur Regen, auch zu starker Wind verbietet ein Abheben. Dem Team bleibt somit nichts anders übrig als abzuwarten – auf das richtige Wetter und eine günstige Gelegenheit für die Reise zur aktiven Sonne.

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Die Sunrise-Mission wird geleitet vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) im niedersächsischen Katlenburg-Lindau. Weitere Partner der Mission sind das High Altitude Observatory (Boulder, USA), das Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik (Freiburg im Breisgau), ein spanisches Konsortium unter Leitung des Instituto de Astrofisica de Canarias, das Lockheed-Martin Solar and Astrophysics Laboratory (Palo Alto, USA) und die Columbia Scientific Ballooning Facility der US-Raumfahrtbehörde Nasa. Das MPS dankt zudem der Max-Planck-Förderstiftung und den Fördernden Mitgliedern der Max-Planck-Gesellschaft für ihre finanzielle Unterstützung des Projekts.

BK / HOR

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