Planeten im Sonnenwind

Dr. Yong Wei vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung erhält den Nachwuchspreis der European Geoscience Union.

3. Mai 2013
Die inneren Planeten Venus, Erde und Mars könnten unterschiedlicher kaum sein: Während unser blauer Planet mit seinen gemäßigten Temperaturen und reichen Wasservorräten Leben hervorbrachte, sorgt auf der Venus ein extremer Treibhauseffekt für Oberflächentemperaturen von etwa 450 Grad Celsius. Der Mars ist heute eine lebensfeindliche Wüste ohne nennenswerte Atmosphäre. Für diese sehr unterschiedlichen Entwicklungsgeschichten ist in erster Linie das Wechselspiel der Planeten mit der Sonne verantwortlich. So konnte Dr. Yong Wei vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) nachweisen, dass das Magnetfeld der Erde die Atmosphäre unseres Planeten vor dem Sonnenwind schützt. Für seine Arbeiten, in denen der Wissenschaftler den Einfluss der Sonne auf die inneren Planeten erforscht und vergleicht, hat die European Geoscience Union (EGU) Wei jetzt mit ihrem Nachwuchspreis ausgezeichnet.

Der Einfluss der Sonne auf unsere Erde ist unübersehbar: Die Sonnenstrahlung sorgt nicht nur für angenehme Temperaturen, sondern versorgt auch die gesamte Vegetation mit Energie. Doch neben der Strahlung sendet die Sonne auch einen Strom geladener Teilchen ins All, den so genannten Sonnenwind, der unseren Planeten maßgeblich beeinflusst. Warum hat dieser Teilchenstrom die Atmosphäre des Mars im Verlaufe von Milliarden von Jahren abgetragen, die der Erde jedoch weitestgehend unversehrt gelassen? Jahrzehntelang galt das Magnetfeld der Erde als Schlüssel zu dieser Frage. Wie ein Schutzschild leite es den Sonnenwind um unseren Planeten herum. Der Mars hingegen, der nur noch schwache Reste eines Magnetfeldes besitzt, sei dem Teilchenstrom von der Sonne schutzlos ausgesetzt.


In den vergangenen Jahren hatten einige Wissenschaftler diese Theorie in Zweifel gezogen. Sie stützten sich dabei auf Messungen der Menge an Sauerstoff-Ionen, die pro Zeit und Fläche von beiden Planeten entweicht. Mit exakteren und vor allem gut vergleichbaren Messdaten konnte Dr. Yong Wei vom MPS diese Argumente entkräften. „Entscheidend ist es, die Messungen unter gleichen Bedingungen durchzuführen“, erklärt Wei. „Sonst ist ein Vergleich nicht aussagekräftig.“

Eine günstige Konstellation dazu ergab sich im Januar 2008: Sonne, Erde und Mars waren so angeordnet, dass sie auf einer Gerade lagen. „Nur in einer solchen Situation sind beide Planeten nahezu demselben Sonnenwind ausgesetzt, so dass sich die Sauerstoff-Ionen-Raten sinnvoll zu einander in Beziehung setzen lassen“, erklärt Wei. Die erforderlichen Messdaten lieferten zwei Missionen der europäischen Weltraumagentur (ESA): Cluster, eine Gruppe aus vier Satelliten, welche die Erde im Verbund umkreisen, und Mars Express, eine Raumsonde, die seit 2003 den Mars erforscht. „Unsere Messungen und die anschließende Auswertung zeigen deutlich, dass der Mars in einem deutlich stärkeren Maß Sauerstoff-Ionen verliert, als die
Erde“, so Wei. „Alles spricht also nach wie vor dafür, dass das Magnetfeld der Planeten der entscheidende Faktor ist“, folgert Dr. Markus Fränz, Leiter des Forschungsprojektes.

Auch die Venus wollen beide Forscher künftig in diesen Vergleich miteinbeziehen. Denn unser sonnennaher Nachbarplanet stellt im Vergleich zum Mars ein anderes Extrem dar: Die dichte Atmosphäre, die in erster Linie aus Kohlendioxid besteht, sorgt für einen ausgeprägten Treibhauseffekt. Dieser führt zu Oberflächentemperaturen von etwa 450 Grad Celsius. Zudem überrascht die Venus durch eine weitere Besonderheit. Wie die MPS-Forscher beweisen konnten, dehnt sich die Ionosphäre des Planeten in Zeiten schwachen Sonnenwindes an der sonnenabgewandten Seite wie ein Schweif ins Weltall aus.

Auf der Erde entsteht die Ionosphäre, eine Hülle aus Elektronen und Ionen, die den Planeten umgibt, wenn extrem kurzwelliges ultraviolettes Licht und
Röntgenstrahlung von der Sonne an der Tagseite auf die äußeren Schichten der Atmosphäre treffen. Durch die Drehung der Erde entsteht eine geschlossene Hülle; das Magnetfeld hält die Teilchen gefangen.

Die Venus hingegen besitzt kein Magnetfeld. Allerdings induziert der Sonnenwind Magnetfelder, welche die Ionen in Planetennähe halten. „Reißt der Sonnenwind für kurze Zeit ab, wie es etwa am 3. und 4. August 2010 der Fall war, funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr so gut“, erklärt Wei. Der Forscher nutzte Daten der ESARaumsonde Venus Express, um dieses Ereignis genau zu untersuchen. Die Ionen können als Folge deutlich ungehinderter von der Tag- zur Nachtseite strömen – und dehnen sich dort schweifartig aus.

„Dr. Yong Wei hat völlig neue Methoden und Wege gefunden, den Einfluss der Sonne auf die inneren Planeten zu untersuchen und vor allem zu vergleichen“, bilanziert Dr. Markus Fränz.

Dr. Yong Wei hat an der Wuhan Universität in China studiert und 2008 an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Beijing im Fachbereich Geologie und Geophysik promoviert. In seinen folgenden Forschungsaufenthalten, die ihn in die USA, nach Peking und nach Irkutsk führten, wandte er sich der Beziehung von Sonne und Planeten zu. Seit 2010 forscht Wei am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung im Rahmen eines Stipendiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Schwerpunktprogramm: Planetarer Magnetismus). Die europäische Geowissenschaftliche Gesellschaft (European Geoscience Union, kurz: EGU) vergibt in jedem Jahr den Nachwuchspreis „Outstanding Young Scientist Award“. In diesem Jahr ehrte die EGU acht Nachwuchswissenschaftler. Vor zwei Jahren hatte mit Dr. Elias Roussos ebenfalls ein Forscher des MPS die angesehene Auszeichnung erhalten.

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