Vestas verborgene Reize

Neue Auswertungen zeigen, wo der Protoplanet am interessantesten ist

13. Dezember 2013

Manche Schönheit offenbart sich erst auf den zweiten Blick. Ein solcher Fall ist auch der Protoplanet Vesta, den die NASA-Raumsonde Dawn von Juli 2011 bis August 2012 umkreiste. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung haben nun die Daten des bordeigenen Kamerasystems neu ausgewertet. In ihren Bildern zeigen sich nicht nur geologische Strukturen, die für das bloße Auge unsichtbar sind, in bisher unerreichter Detailschärfe. Auch Landschaften von unvergleichlicher Schönheit treten klar hervor.

Krater Aelia, 40°O/14°S: Mit dem freien Auge wären die Fließstrukturen im und am Aelia-Krater, die sich hier in Blau und Rot vom Untergrund abheben, nicht sichtbar. Der Krater hat einen Durchmesser von 4,3 Kilometern. Der genaue Ursprung der Fließstrukturen ist bisher unbekannt. Möglicherweise ist durch den Einschlag, der den Krater erzeugte, flüssiges Material entstanden, welches eine andere Mineralogie aufweist als die Umgebung.

Mit dem menschlichen Auge betrachtet, sieht der Protoplanet Vesta, der im Asteroidengürtel zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter um die Sonne kreist, farblich recht unspektakulär aus: ein gräulicher, unregelmäßig geformter Körper mit einem Durchmesser von etwa 530 Kilometern, überzogen von vielen größeren und kleineren Kratern. Neue Auswertungen zeigen Vesta, die in einer frühen Phase der Planetenentwicklung stecken blieb, nun in einem anderen Licht.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung konnten auf der Oberfläche diverse Impaktschmelzen, durch Beben verschüttete Krater und von Asteroiden eingetragenes, fremdes Material mit einer Auflösung von nur 60 Metern sichtbar machen. Das wurde möglich, weil die Experten Abbildungsfehler, die typischerweise bei der numerischen Auswertung auftreten, weitestgehend unterdrückt haben.

Krater Antonia, 200°O/58°S: Der Antonia-Krater mit einem Durchmesser von 17 Kilometern liegt im riesigen Rheasilvia-Becken auf der Südhalbkugel der Vesta, das durch einen gewaltigen Einschlag entstand. Die hellblaue Substanz ist freigelegtes feinkörniges Material der unteren Kruste. Der südliche Kraterrand wurde durch gröberes Material kurz nach der Entstehung des Kraters verschüttet. Die dunkelblaue Färbung des südlichen Kraterrandes ist auf Schattenbildung des blockigen Materials zurückzuführen.

„Der Schlüssel zu diesen Bildern sind die sieben Farbfilter des Kamerasystems an Bord der Raumsonde“, sagt Max-Planck-Forscher Andreas Nathues, wissenschaftlicher Leiter des Kamerateams. Da verschiedene Mineralien Licht verschiedener Wellenlängen unterschiedlich stark reflektieren, lassen sich mithilfe der Filter Strukturen entdecken, die ohne sie verborgen bleiben. Zudem ist es nun gelungen, die Eichung der Kamera so zu verfeinern, dass sich minimale Helligkeitsveränderungen darstellen lassen.

In den neuen farbkodierten Bildern treten beeindruckende Formationen zutage und offenbaren die Vielfalt des Protoplaneten. Aus geologischer Sicht sei Vesta abwechslungsreicher als jeder andere bisher untersuchte Kleinplanet, so Nathues. Doch vor allem verblüffen die farbkodierten Bilder, in denen die verschiedenen Farben für verschiedene Materialien an der Oberfläche des Protoplaneten stehen, durch ihre Ästhetik. „Kein Künstler könnte so etwas malen. Das schafft nur die Natur“, sagt Martin Hoffmann, Mitglied des  Kamerateams.

Krater Sextilia, 135°O/30°S: Nordwestlich des Sextilia-Kraters (unten rechts) zeigt sich die gesamte Farbbandbreite der Vesta. Während vermutlich ein großer Asteroideneinschlag das fremde, schwarze Material eintrug und geradezu verspritzte, könnte das rote Material beim Einschlag geschmolzen sein.

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Die Dawn-Mission

Die Mission Dawn startete am 27. September 2007 ins All und schwenkte am 16. Juli 2011 in eine Umlaufbahn um den Protoplaneten Vesta ein. Im Jahr 2015 soll die Raumsonde ihr zweites Reiseziel, den Zwergplaneten Ceres, erreichen, der wie Vesta im Asteroidengürtel zwischen den Umlaufbahnen des Mars und des Jupiter um die Sonne kreist.

Das Projekt wird vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der amerikanischen Weltraumbehörde NASA geleitet. JPL ist eine Abteilung des California Institute of Technology in Pasadena. Die University of California in Los Angeles ist für den wissenschaftlichen Teil der Mission verantwortlich. Das Kamerasystem an Bord der Raumsonde wurde unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau in Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze in Braunschweig entwickelt und gebaut. Das Kamera-Projekt wird finanziell von der Max-Planck-Gesellschaft, dem DLR und NASA/JPL unterstützt.

BK / HOR

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