Solare Variabilität und Klima
Forschungsbericht (importiert) 2017 - Max Planck Institut für Sonnensystemforschung
Die Sonne versorgt die Erde mit Licht und Wärme. Sie ist eine zuverlässige, aber nicht völlig konstante Energiequelle. Etwa 40 Jahre der weltraumgestützten Überwachung der Strahlungsleistung der Sonne haben ihre Schwankungen auf allen jemals beobachteten Zeitskalen (Minuten bis Jahrzehnte) deutlich aufgezeigt. Die Variabilität auf Zeitskalen von etwa einem Tag und länger wird dabei durch das ruhelose solare Magnetfeld verursacht. Wenn man weiß, wie sich das Magnetfeld an der Oberfläche in der Vergangenheit verändert hat, lassen sich auch die Veränderungen der Sonnenhelligkeit rekonstruieren.
Die solare Bestrahlungsstärke
Über 99,96 Prozent der Energie auf der Erde stammen von der Sonne [1]. Sonnenlicht macht die Erde bewohnbar, und Veränderungen in der Sonneneinstrahlung beeinflussen aller Voraussicht nach das Erdsystem. Es wurden verschiedene Mechanismen vorgeschlagen, durch die unsere veränderliche Sonne das Klima der Erde beeinflussen könnte, aber das Verständnis des solaren Einflusses auf das Klima ist immer noch unvollständig. Eine Schwierigkeit ist die Dauer der relevanten Sonnenbeobachtungen.
Während Heinrich Schwabe bereits 1843 die etwa 11-jährige Periodizität im Auftreten von Sonnenflecken bemerkte, galt die Sonnenhelligkeit ihrerseits bis in die späten 1970er Jahre als konstant. Seit 1978 wird die Sonneneinstrahlung regelmäßig vom Weltraum aus mit der erforderlichen Genauigkeit überwacht, um nachzuweisen, dass sich die Sonnenhelligkeit auf Zeitskalen von Minuten bis Jahrzehnten verändert (siehe schwarze Kurve in Abb. 1). Die knapp 40-jährige Aufzeichnung der direkten Bestrahlungsstärke ist jedoch eindeutig zu kurz, um die Auswirkungen auf das Erdklima zuverlässig bestimmen zu können. Daher sind Rekonstruktionen der Veränderungen der Bestrahlungsstärke in der Vergangenheit über möglichst lange Zeiträume mittels geeigneter Modelle erforderlich.

Abb. 1. Oben: Rekonstruktion (rot) und SORCE/TIM-Messungen (schwarz) der totalen solaren Bestrahlungsstärke zwischen April 2010 und Juli 2016. Unten: Rekonstruktion der totalen solaren Bestrahlungsstärke für die letzten 1500 Jahre auf der Basis von Magnetogrammen der gesamtem Sonnenscheibe (rot), Sonnenfleckenzahlen (grün) und der Konzentration von 14C in den Jahresringen von Bäumen. Die durchgezogenen Kurven zeigen die jährlichen Werte und die grauen Punkte die täglichen Daten, soweit verfügbar. Die 14C-Daten und die zugehörigen Rekonstruktionen sind Mittelwerte über eine Dekade.
Der solare Magnetismus als Ursache der Schwankungen der Bestrahlungsstärke
Zuverlässige Rekonstruktionen sind nur möglich, wenn die Ursachen der Änderungen der Bestrahlungsstärke bekannt sind. Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen den typischerweise zehn Tage dauernden Einbrüchen in der Strahlungsleistung (im oberen Teil von Abb. 1 zu sehen) und Sonnenflecken. Sonnenflecken, die die sichtbare Sonnenscheibe durchqueren, während sich die Sonne dreht, verursachen eine Verdunkelung der Sonne. Sonnenflecken entstehen, wenn das Magnetfeld an der Sonnenoberfläche austritt und den Wärmefluss aus ihrem Inneren unterdrückt. Sie sind kühler und daher dunkler als ihre Umgebung (siehe Tafeln B in Abb. 2) und sind typischerweise von Agglomeraten schwächeren Magnetfeldes, den sogenannten Fackeln, umgeben. Diese erscheinen heller und bedecken ein größeres Gebiet auf der Oberfläche. Der ewige Wettstreit zwischen Sonnenflecken und Fackeln gilt seit langem als die Hauptursache für Schwankungen der Sonnenhelligkeit, und Modelle der Bestrahlungsstärke, die die Änderungen dem sich kontinuierlich entwickelnden Muster des Magnetfelds auf der Sonnenoberfläche zuschreiben, haben sich als sehr erfolgreich erwiesen. Aber der letzte Beweis fehlte bis vor kurzem.
Modellierung der Änderungen der Bestrahlungsstärke
Das SATIRE-Modell (Spectral and Total Irradiance REconstructions), das Forscher am MPS entwickelt haben, reproduziert über 96 Prozent der seit 1978 gemessenen Änderungen der Bestrahlungsstärke auf Zeitskalen von mehr als einem Tag [2, 3]. Mithilfe von Magnetogrammen der gesamten Sonnenscheibe und Kontinuumsbildern (A und B oben in Abb. 2) identifiziert SATIRE Sonnenflecken und Fackeln auf der der Erde zugewandten Sonnenseite. Ihre Helligkeit wird mit semi-empirischen Modellen berechnet, die die Höhenstruktur der Sonnenatmosphäre beschreiben. Diese vorberechneten Helligkeitsspektren werden mit der an einem gegebenen Tag beobachteten Abdeckung der Sonnenscheibe durch die entsprechenden Komponenten (Sonnenflecken und Fackeln)gewichtet, und die Summe der Beiträge von Sonnenflecken und Fackeln beschreibt dann die resultierende Änderung der Sonnenhelligkeit. Die genaue Relation zwischen dem gemessenen Magnetogrammsignal und der Helligkeit der zugehörigen Struktur war bisher nicht bekannt. Daher musste die berechnete Bestrahlungsstärke gegen die gemessenen Änderungen der Bestrahlungsstärke kalibriert werden. Daraus ließ sich der eine, noch freie Parameter des Modells ermitteln. Da bisher alle Modelle der Bestrahlungsstärke freie Parameter hatten, konnte man einen Beitrag von alternativen, nichtmagnetischen Quellen für die Variabilität nicht ausschließen.
Die semi-empirischen Modellatmosphären wurden nun durch ab-initio dreidimensionale magnetohydrodynamische Simulationen der Sonnenatmosphäre ersetzt. Dies ermöglicht das Synthetisieren von Helligkeitsbildern und Magnetogrammen, die beobachteten Magnetogrammen entsprechen (siehe Abb. 2). Damit ließ sich erstmals die solare Bestrahlungsstärke rekonstruieren, ohne dass sie gegen die gemessene Änderung der Bestrahlungsstärke kalibriert werden musste [4]. Das Modell reproduziert 95 Prozent der zwischen April 2010 und Juli 2016 beobachteten Variabilität, so dass zumindest auf den untersuchten Zeitskalen (Tage bis Jahre) wenig Spielraum für alternative Ursachen der Variabilität der Bestrahlungsstärke bleibt.
Eine Kombination aus dem Magnetfeld an der Oberfläche und der Granulation (Konvektionszellen an der Sonnenoberfläche), ebenfalls auf Basis der gleichen dreidimensionalen magnetohydrodynamischen Simulationen, erklärt die solare Variabilität (mit Ausnahme von Oszillationen) auf Zeitskalen von Minuten bis zu Dekaden, also auf allen Zeitskalen, die bisher bei den Messungen der Bestrahlungsstärke aufgelöst oder abgedeckt wurden [3].

Abb. 2. Von links nach rechts: A) Longitudinales Magnetogramm, aufgezeichnet von HMI am 16. Dezember 2012 (oben), und der durch das weiße Quadrat markierte Ausschnitt (unten). Positive und negative Werte, hell und dunkel dargestellt, kennzeichnen ein Magnetfeld in Richtung des Beobachters beziehungsweise weg vom Beobachter. B) Simultanes Bild der Kontinuumsintensität von HMI, in dem Sonnenflecken deutlich erkennbar sind. C) Bolometrisches Bild, das mit dem vorgestellten Modell rekonstruiert wurde; das Integral über die gesamte Scheibe ergibt die totale solare Bestrahlungsstärke TSI. Das Modell ordnet jedem Pixel auf der Sonnenscheibe die berechnete bolometrische Intensität entweder der ruhigen Sonne, einer Fackel, einer Sonnenfleckenumbra oder –penumbra zu, je nachdem was in den HMI-Beobachtungen dort identifiziert wurde.
Rekonstruktion der solaren Bestrahlungsstärke in der Vergangenheit
Das obige Ergebnis impliziert, dass sich Änderungen der solaren Bestrahlungsstärke exakt rekonstruieren lassen, wenn die Entwicklung des Magnetfelds auf der Sonnenoberfläche bekannt ist. Magnetogramme und Bilder der vollen Sonnenscheibe sind nur für die letzten Jahrzehnte verfügbar, so dass Rekonstruktionen der Sonnenhelligkeit früherer Zeiten auf andere Repräsentanten der solaren magnetischen Aktivität zurückgreifen. Die längste Aufzeichnung direkter Sonnenbeobachtungen ist die Sonnenfleckenzahl, die bis 1610 zurückreicht. Noch weiter in der Zeit zurückzublicken ist nur auf der Basis indirekter Repräsentanten der solaren magnetischen Aktivität möglich, wie dem Vorkommen der kosmogenen Radioisotope 14C und 10Be auf der Erde. Diese Radionuklide werden in der Erdatmosphäre durch energetische galaktische Teilchen der kosmischen Strahlung erzeugt. Das Sonnenmagnetfeld wirkt als Schutzschild und moduliert den Fluss der kosmischen Strahlung in der Erdatmosphäre und damit die Produktionsraten der Radionuklide. Dies ermöglicht eine Abschätzung der solaren magnetischen Aktivität zum Zeitpunkt der Isotopenproduktion. Daraus wird die solare Bestrahlungsstärke berechnet, die eine wichtige Eingangsgröße darstellt für Erdklimamodelle, wie unter anderen dem Paleoclimate Model Intercomparison Project (PMIP) [5]. Dieses Projekt wird vom MPI für Meteorologie koordiniert und zielt darauf ab, die Reaktion des Klimas auf natürliche Einflüsse zu untersuchen und zwischen erzwungener und intern generierter Variabilität auf Zeitskalen von Jahren bis hin zu Jahrhunderten zu unterscheiden.
Literaturhinweise
Nature Astronomy 1, 612–616 (2017)
Physics Review Letters 119(9), 091102 (2017)