Sonnenfleck-Symphonie

Sonnenflecke regen magneto-akustische Wellen an; ein Forscherteam hat jetzt die bisher großräumigsten Schwingungen dieser Art entdeckt.

26. Januar 2022

Sterne wie die Sonne schwingen wie ein gefüllter Wasserballon. Neben diesen globalen akustischen Schwingungen, die den gesamten Stern überziehen, sind weitere bekannt: So können Sonnenflecke, dunkle Gebiete auf der Sonnenoberfläche, Ausgangspunkt für magneto-akustische Wellen sein. Eine internationale Forschergruppe unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) hat mit Hilfe des Dunn Solar Telescope, eines Sonnenteleskops im US-amerikanischen Bundesstaat New Mexiko, erstmals eine Vielzahl solcher Schwingungen in Zusammenhang mit einem außergewöhnlich großen Sonnenfleck beobachtet. Der Sonnenfleck misst im Durchmesser etwa 40 000 Kilometer auf der Sonnenoberfläche. Das entspricht mehr als dem Dreifachen des Erddurchmessers. Numerisch Simulationen der Forschergruppe bestätigen diesen Fund. Das Team berichtet von seinen Ergebnissen in der Fachzeitschrift Nature Communications.

Sonnenflecke sind Gebiete hoher Magnetfeldstärke an der sichtbaren Oberfläche unseres Sterns. Da die starken Magnetfelder dort verhindern, dass heißes, hell leuchtendes Plasma aus dem Innern der Sonne aufsteigt, zeigen sich die Sonnenflecke im Vergleich zu ihrer Umgebung als dunkle Bereiche. Sie können über mehrere Tage oder Wochen stabil sein. In Phasen hoher Sonnenaktivität treten sie häufig auf; in Phasen geringer Aktivität kann die Oberfläche der Sonne für mehrere Monate völlig frei von Sonnenflecken sein.

Theoretische Überlegungen legen nahe, dass das komplexe Zusammenspiel aus strömendem Plasma und Magnetfeldern unterhalb der Sonnenflecke eine Vielzahl so genannter magneto-akustischer Wellen anregen kann, die sich bis in die Atmosphäre der Sonne fortsetzen. Gemeint sind Druckwellen, in denen auch die magnetischen Kräfte, die auf das Sonnenplasma wirken, eine wichtige Rolle spielen. Je nach Größe und Magnetfeldstärke erzeugt jeder Sonnenfleck eine andere Gruppe von Schwingungen – und zeichnet sich somit durch eine charakteristische „Sonnenfleck-Symphonie“ aus. Doch obwohl diese Zusammenhänge seit etwa 40 Jahren bekannt sind, hat sich die „Musik der Sonnenflecke“ als schwer zu greifen erwiesen: Bisher wurden nur wenige Schwingungsarten in kleinen magnetischen Strukturen beobachtet. Die aktuelle Studie, an der unter Leitung der italienischen Weltraumagentur ASI insgesamt zwölf Forschungseinrichtungen aus sechs Ländern beteiligt waren, zeichnet nun erstmals ein umfassendes Bild der Schwingungen, die zu einem riesigen Sonnenfleck gehören.

Riesiger Sonnenfleck, gewaltiges Magnetfeld

Zu diesem Zweck nahmen sich die Forscherinnen und Forscher Messdaten des Sonnenteleskops Dunn Solar Telescope vom Mai 2016 vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Sonne ihr letztes Aktivitätsmaximum zwar bereits durchschritten, zeigte sich aber immer noch von ihrer dynamischen Seite. In der Nähe des Sonnenäquators schmückte sie sich mit einem besonders großen Sonnenfleck: Mit einem Durchmesser von etwa 40 000 Kilometern war er einer der größten der vergangenen 20 Jahre. Auch sein Magnetfeld war gewaltig. Mit einer Stärke von 3,5 Kilogauss überstieg es das Magnetfeld der Erde um etwa vier Größenordnungen. „Die hohe zeitliche und räumliche Auflösung des Dunn Solar Telescopes zusammen mit dem starken Magnetfeld sorgten für einzigartige Messdaten“, erklärt Dr. Shahin Jafarzadeh vom MPS, der an der Studie beteiligt war.

Die Analyse der etwa drei Stunden überspannenden Messdaten vom 20. Mai 2016 zeigte ein breites Spektrum von Schwingungen: Mehr als 30 charakteristische, magneto-akustische Wellen ließen sich identifizieren, von denen viele ebenso wie der Sonnenfleck selbst bis zu 40 000 Kilometer überdeckten. Numerische Modellierungen der Forscherinnen und Forscher bestätigen diese Ergebnisse.

Magneto-Helioseismologie und andere Anwendungen

Da sich die nun gefundenen Schwingungen bis in die Sonnenatmosphäre fortsetzen, können sie nach Einschätzung der Forscherinnen und Forscher helfen, den Energietransport der Sonne in diese äußeren Schichten besser zu verstehen. Zudem ist es denkbar, dass sie als Grundlage für magneto-helioseismologische Studien dienen: Aus der Art, wie sich die Wellen in der Umgebung des Sonnenflecks ausbreiten, ließe sich auf Struktur und dynamische Prozesse in diesem Bereich schließen. Das Team hofft nun auf weitere hochaufgelöste Messdaten. Diese könnten etwa die ESA-Raumsonde Solar Orbiter, die sich der Sonne in den nächsten Jahren auf etwa 42 Millionen Kilometer annähern wird, sowie das kürzlich fertig gestellte Daniel K. Inouye Sonnenteleskop auf Hawaii liefern.

 

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