Sonne: Erster Blick auf polares Magnetfeld in Bewegung

Auswertungen der Messdaten der ESA-Raumsonde Solar Orbiter vom Sonnensüdpol überraschen: Heißes Plasma strömt schneller polwärts als erwartet. 

5. November 2025

In Kürze: 

  • Messdaten vom Sonnensüdpol: Im März hatte die ESA-Raumsonde Solar Orbiter erstmals gute Sicht auf den Südpol der Sonne. Erste Auswertungen liegen jetzt vor. 
  • Supergranulation: Riesige Strömungszellen überziehen die Sonne und erzeugen die großflächige, netzartige Struktur des Magnetfeldes an ihrer Oberfläche. Forschende haben nun erste Eigenschaften in Polnähe bestimmt. 
  • Bewegung zum Pol: Die Strömungszellen und mit ihnen das Magnetfeld driften polwärts – mit höheren Geschwindigkeiten als erwartet. 
  • Globales Magnetfeld: Weitere Beobachtungen sind nötig um zu verstehen, wie die Vorgänge an den Polen dazu beitragen, das globale Magnetfeld der Sonne im Laufe eines Sonnenzyklus aufzubauen. 

Die Sonne unterliegt einem strengen Rhythmus. Ihre Aktivität schwankt zyklisch und erreicht etwa alle elf Jahre ein Maximum. Taktgeber sind gewaltige Plasma-Umwälzungen, die sich im Laufe eines Zyklus auf jeder der beiden Halbkugeln der Sonne vollziehen: Oberflächennahe Plasmaströme reißen die Magnetfeldlinien vom Äquator mit und spülen sie bis zum Pol; in der Tiefe fließt das Plasma in einem riesigen, die gesamte Halbkugel überspannenden Kreislauf zurück zum Äquator.

Wichtige Einzelheiten dieses solaren „Magnetfeld-Förderbandes“ sind noch unverstanden. Entscheidend dürften die genauen Vorgänge an den Sonnenpolen sein. Von der Erde aus lassen sich diese Regionen nur streifend beobachten, Eigenschaften des Magnetfeldes so nicht bestimmen. Die meisten Raumsonden haben eine ähnlich eingeschränkte Perspektive. 

Zum Verständnis des magnetischen Sonnenzyklus fehlt uns bisher das Wissen, was an den Polen der Sonne geschieht. Dieses fehlende Puzzlestück kann Solar Orbiter jetzt liefern.
Sami Solanki, Direktor am MPS und Koautor der neuen Studie

Seit Februar 2020 fliegt die ESA-Raumsonde Solar Orbiter auf langgezogenen Ellipsen um die Sonne. Im März dieses Jahres hat sie erstmals die Ebene verlassen, in der sich die Planeten – und fast alle anderen Raumsonden – bewegen. Aus einer um 17 Grad gekippten Flugbahn hat Solar Orbiter nun erstmals einen besseren Blick auf die Pole der Sonne.

In der neuen Veröffentlichung, die heute in der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters erscheint, werten Forschende unter Leitung des MPS Daten der Messinstrumente Polarimetric and Helioseismic Imager (PHI) und Extreme-Ultraviolet Imager (EUI) von Solar Orbiter aus. Die PHI-Daten stammen vom 21. März dieses Jahres; die EUI-Daten bilden den Zeitraum vom 16. bis zum 24. März ab. Die Messungen geben Aufschluss über Bewegungsrichtung des Plasmas und das Magnetfeld an der Sonnenoberfläche in der Nähe des Südpols.

Die Daten liefern erstmals ein detailliertes Bild der Supergranulation und des magnetischen Netzwerks der Sonne am Südpol. Supergranulen sind Strömungszellen, etwa doppelt bis dreifach so groß wie die Erde, welche die Oberfläche der Sonne dicht an dicht überziehen. Ihre horizontalen Oberflächenströmungen schwemmen Magnetfeldlinien an ihre Ränder und erzeugen so das magnetische Netzwerk der Sonne: ein Gespinst aus starken Magnetfeldern.

Zur Überraschung der Forschenden driftet das Magnetfeld mit im Durchschnitt etwa 10 bis 20 Metern pro Sekunde fast genauso schnell polwärts wie in niedrigeren Breiten. Frühere Studien basierend auf Beobachtungsdaten aus der Bahnebene der Planeten hatten in Polnähe viel langsamere Bewegungen des Magnetfelds festgestellt. Dabei geht es den Forschenden nicht nur um die Supergranulen und das magnetische Netzwerk selbst.

Die Supergranulen an den Polen sind eine Art Tracer-Partikel. Sie machen dort erstmals die globale, elfjährige Umwälzströmung der Sonne sichtbar.
Lakshmi Pradeep Chitta, Forschungsgruppenleiter am MPS und Erstautor

Ob das globale „Magnetfeld-Förderband“ der Sonne tatsächlich in Polnähe nicht abbremst, ist noch unklar. Die jetzt veröffentlichten Messdaten zeigen nur eine kurze Momentaufnahme aus dem gesamten Sonnenzyklus. Weitere und vor allem längere Beobachtungsdaten sind nötig. 

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