Vestas innere Werte
Wissenschaftler finden im All einen Brocken aus den Tiefen des drittgrößten Asteroiden
Eine neue Art von Asteroid haben Forscher von der University of North Dakota und aus dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung entdeckt. Die mineralogische Zusammensetzung des Körpers 1999 TA10 deutet darauf hin, dass er nicht wie viele andere Asteroiden aus der äußeren Gesteinskruste, sondern aus dem Innern des Mutterasteroiden Vesta stammt. Ein Asteroid mit dieser Zusammensetzung war bisher unbekannt. (Icarus, in press, online veröffentlicht am 5. Dezember 2010)
Die etwa 525 Kilometer große Vesta, benannt nach der römischen Göttin von Heim und Herd, ist einzigartig: Anders als alle anderen Kleinplaneten, die im sogenannten Hauptgürtel zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter um die Sonne kreisen, weist sie eine differenzierte innere Struktur auf. Eine Kruste aus erkalteter Lava überdeckt eine tiefer liegende Gesteinsschicht und einen Eisen-Nickel-Kern – ähnlich wie bei den Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars.
Die Wissenschaftler halten den zwiebelartig aufgebauten Asteroiden deshalb für einen Protoplaneten, ein Überbleibsel aus einer frühen Phase der Planetenentwicklung vor mehr als viereinhalb Milliarden Jahren. Alle anderen Protoplaneten ballten sich nach und nach entweder zu Planeten zusammen oder zerbrachen durch heftige Zusammenstöße.
Allerdings scheint auch Vesta einen gewaltigen Aufprall erlebt zu haben. Darauf deutet ein riesiger Krater auf der Südseite hin. Die Vestoiden – eine Gruppe von Asteroiden, deren Zusammensetzung dem Krustengestein von Vesta gleicht – sind höchstwahrscheinlich bei diesem Einschlag entstanden. Zudem glauben Forscher, dass die kosmische Kollision auch tiefer liegendes Material ins All schleuderte. Denn einige Meteoriten, die auf der Erde gefunden wurden, bestehen aus ähnlichem Gestein wie Vestas innere Schicht. Bisher blieben jedoch stets Zweifel an dieser Theorie – vor allem, weil sich im Weltraum kein vergleichbarer Körper aus Vestas Mantel fand.
Erst der kürzlich untersuchte erdnahe Asteroid 1999 TA10 schließt nun diese Lücke. Mithilfe eines Teleskops der amerikanischen Weltraumbehörde NASA auf Hawaii haben die Forscher die Infrarot-Strahlung analysiert, die 1999 TA10 ins All reflektiert. In diesem Wellenlängenbereich hinterlassen die Gesteine, die für die Zuordnung zu Vesta in Frage kommen, im Spektrum ihre charakteristischen Fingerabdrücke. Neben calciumhaltigem Wollastonit deuten die Messungen vor allem auf das eisenhaltige Ferrosilit hin.
„Diese Stoffe kommen zwar sowohl in der Kruste, als auch im Mantel von Vesta vor“, sagt Andreas Nathues vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. „Entscheidend ist jedoch das Verhältnis.“ Im Fall von 1999 TA10 ist der atomare Eisengehalt deutlich geringer als etwa bei den bereits bekannten Vestoiden. „Vieles spricht dafür, dass wir es bei 1999 TA10 mit einem Stück aus dem Innern von Vesta zu tun haben“, so Nathues.
Der Himmelskörper erlaubt daher auch Rückschlüsse auf seinen Mutterasteroiden. Modelle der Oberfläche von Vesta, die auf Beobachtungen des Weltraumteleskops Hubble zurückgehen, beziffern die Tiefe des Südpolkraters mit maximal 25 Kilometern. Der neue Fund beweist nun, dass dies gleichzeitig der maximalen Dicke der äußeren Gesteinskruste entspricht.
Um die Vorgänge bei der Planetenbildung vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren zu rekonstruieren, sind Forscher darauf angewiesen, die Dicke von Vestas Schichten möglichst exakt zu bestimmen. Denn nur so lässt sich berechnen, aus welchem Materialgemisch der Protoplanet einst entstanden ist – und somit zeigen, welche Stoffe bei der Entstehung des Sonnensystems in welchem Verhältnis zur Verfügung standen.
Weitere Informationen über den Aufbau von Vesta erhoffen sich die Forscher nun von der Mission DAWN der NASA. Im Juli/August 2011 wird die Raumsonde, die seit 2007 durchs All fliegt, den Asteroiden erreichen und etwa ein Jahr lang begleiten. Mit an Bord sind zwei Weltraumkameras, die unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetenforschung des DLR und des IDA entwickelt und gebaut wurden.
(BK / HOR)