Tiefer Blick ins Innere der Sterne

Forscher ermitteln aus den Schwingungen von fernen Sonnen deren Struktur

21. Dezember 2017

Eigentlich scheint es unmöglich zu sein, in einen Stern hineinzuschauen. Einem internationalen Astronomenteam unter der Leitung von Earl Bellinger und Saskia Hekker vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen ist es jetzt erstmals gelungen, anhand der Schwingungen von zwei Sternen deren inneren Aufbau zu vermessen.

Bis zum Kern: Künstlerische Darstellung des Sterninneren, das sich durch Oszillationen an der Oberfläche erforschen lässt.

Unsere Sonne sowie die meisten Sterne zeigen Schwingungen, die sich wie Schallwellen im Inneren des Sterns ausbreiten. Deren Frequenzen finden sich im Licht der Sterne wieder. Ähnlich wie Seismologen auf der Erde aus der Analyse von Erdbeben das Innere unseres Planeten entschlüsseln, ermitteln Astronomen mithilfe von Asteroseismologie aus den Frequenzen der Schallwellen die Eigenschaften von Sternen. Eine detaillierte Analyse dieser Frequenzen ermöglichte es Earl Bellinger, Saskia Hekker und ihren Kollegen nun zum ersten Mal, die innere Struktur zweier Sterne zu bestimmen.

Diese beiden Sterne bilden das Doppelsystem 16 Cygni (genannt 16 Cyg A und 16 Cyg B) und sind unserer Sonne sehr ähnlich. „Aufgrund ihrer geringen Entfernung von nur 70 Lichtjahren sind sie relativ hell und damit bestens für unsere Analysemethode geeignet”, sagt Erstautor Earl Bellinger. „Bisher waren nur Modelle des Sterninneren bekannt. Uns ist es nun gelungen, den inneren Aufbau der Sterne direkt zu messen.”

Um das Innere der Sterne zu untersuchen, werden verschiedene Sternentwicklungsmodelle solange angepasst, bis eines am besten zu dem gemessenen Frequenzspektrum passt. Da diese Modelle nicht alle physikalischen Informationen enthalten, unterscheiden sie sich teilweise stark vom tatsächlich beobachteten Frequenzspektrum.

Bellinger und Hekker entschieden sich deshalb für das „inverse“ Verfahren. Hierbei leiteten sie aus den beobachteten Frequenzen die lokalen Eigenschaften des Sterninneren ab. Diese Methode hängt weniger von theoretischen Annahmen ab, erfordert aber exzellente Messdaten und ist mathematisch anspruchsvoll.

Die inverse Methode zeigte, dass die Schallgeschwindigkeit in den Zentralbereichen der beiden Sterne größer ist, als von den Modellen vorhergesagt. „Bei 16 Cyg B lassen sich diese Unterschiede durch eine Korrektur der Masse und Größe des Sterns erklären“, sagt Bellinger. Für 16 Cyg A war es jedoch nicht möglich ein Modell zu finden, welches zu den gemessenen Beobachtungen passt.

Möglicherweise werden bisher unbekannte physikalische Phänomene durch die derzeitigen Entwicklungsmodelle nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. „In der frühen Entwicklungsphase des Sterns wurden vermutlich neu entstehende schwere Elemente aus dem Zentralbereich in weiter außen liegende Regionen transportiert, was sich auf die Sternschwingungen auswirkt“, so Bellinger weiter.

Dieser ersten Strukturanalyse von zwei Sternen sollen weitere folgen. „In den Daten des Weltraumteleskops Kepler finden sich zehn bis zwanzig weitere Sterne, die sich für eine solche Analyse eignen“, sagt Saskia Hekker. Sie leitet am Göttinger Max-Planck-Institut die Forschungsgruppe „Das Alter von Sternen und galaktische Entwicklung“.

Die NASA-Mission TESS (Transiting Exoplanet Survey Satellite) und das später folgende Weltraumteleskop PLATO (Planetary Transits and Oscillation of stars) der Europäischen Weltraumorganisation ESA werden zukünftig genauere Messdaten für dieses Forschungsgebiet sammeln.

Die inverse Methode liefert neue Erkenntnisse, die dabei helfen sollen, die Sternmodelle in Zukunft zu verbessern. Diese komplexeren Modelle tragen zudem dazu bei, die zukünftige Entwicklung der Sonne sowie anderer Sterne in unserer Galaxie vorherzusagen.

TB / HOR

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