Ceres: Gefrorenes Wasser in ewiger Polarnacht

Die Kameras der Raumsonde Dawn entdecken gefrorenes Wasser im nördlichen Polargebiet von Ceres. Trotz fehlender Atmosphäre kann es in den extremen Kältefallen Äonen überdauern.

15. Dezember 2016

Zwischen Mars und Jupiter umkreist seit März 2015 die amerikanischen Raumsonde Dawn den Asteroiden Ceres. Mit ihren „Framing Cameras“ vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen hat die Sonde den Zwergplaneten dabei ins Visier genommen; dank der beiden identischen Bordkameras ist er praktisch vollständig kartiert In einer aktuellen Studie berichtet ein Team geleitet von Wissenschaftlern des MPS über Ceres' hohen Norden. Dort haben die Göttinger Kameras ein besonderes Kunststück vollbracht: An Stellen nahezu ewiger Dunkelheit konnten sie Ablagerungen aus gefrorenem Wasser ablichten.

Thomas Platz ist Erstautor der Studie im neuen Fachjournal Nature Astronomy. „Wir haben mit unseren Kameras die Krater in der Nordpolarregion angeschaut, und zwar zwischen 65 und 90 Grad nördlicher Breite. Manche dieser Krater liegen zumindest teilweise in ewiger Dunkelheit. Das heißt sie werden nicht von der Sonne beschienen. Der Grund dafür ist die Neigung der Drehachse von Ceres, die nur 4,028 Grad beträgt“, erläutert das Mitglied des Framing-Camera-Teams am MPS. Durch diese geringe Achsenneigung steigt die Sonne am Himmel in Ceres' Polargebieten nie weit über den Horizont. Hindernisse, beispielsweise Kraterwälle, werfen deshalb dort lange Schatten; beträchtliche Areale des Polgebietes sind sogar in dauerhafte Nacht gehüllt. Diese Stellen werden zwar nie direkt von der Sonne beschienen, geringe Mengen Streulicht fallen jedoch trotzdem dorthin, beispielsweise reflektiert von direkt beleuchteten Kraterwällen in der Nähe. Dieses schwache Licht kann die Kamera nutzen und in die Dunkelheit spähen. Dabei ist sie auf mehrere helle Ablagerungen gestoßen – gefrorenes Wasser.

Die Fahndung nach den Eisablagerungen ähnelt einer Fleißarbeit: Von den 634 identifizierten Kratern mit permanenten Dunkelgebieten, wurden auf den Bildern der Framing Cameras zehn Krater gefunden, die auffällig helle Stellen in ihrem Innern zeigen. Ein namenloser verhältnismäßig junger Krater, Nummer 2 genannt, spielt dabei eine besondere Rolle. Er liegt auf 69,9 Grad nördlicher Breite und hat einen Durchmesser von 3,8 Kilometern. Dort reichen die hellen Ablagerungen über das permanente Dunkel hinaus, bis in den Bereich, in den manchmal auch direktes Sonnenlicht hinfällt. „Das eröffnet die Möglichkeit das von dort reflektierte Licht mit dem Bordinstrument VIR (Visible and IR Spectrometer) der italienischen Raumfahrtbehörde zu analysieren“, erklärt der Leiter des Framing-Camera-Experiments am MPS Andreas Nathues. „Wir sehen dort die spektrale Signatur von Wassereis, andere gefrorene Gase konnten hingegen nicht gefunden werden.“ Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass auch die anderen hellen Ablagerungen überwiegend aus gefrorenem Wasser bestehen.

Ceres steht wegen ihrer geringen Dichte bereits länger unter Verdacht, viel Wasser in ihrem Innern zu enthalten. Nun wurde zum zweiten Mal gefrorenes Wasser direkt auf der Oberfläche aufgespürt. Die aktuellen Resultate reihen sich in Messungen des Herschel-Teleskops der Europäischen Weltraumbehörde ESA ein, das im Jahr 2014 Wasserdampf in der Nähe von Ceres gemessen hat. Zudem konnten im Dezember 2015 Göttinger Max-Planck-Forscher mit den Framing Cameras Dunst über zwei Äquator-näheren Kratern messen, ebenfalls ein Hinweis auf dampfförmiges Wasser.

Eisvorkommen auf Ceres sind an Stellen der Oberfläche, die direkter Sonnenstrahlung ausgesetzt sind, über lange geologische Zeiträume instabil. Denn auf dem atmosphärelosen Zwergplaneten sublimiert das Eis im Laufe relativ kurzer Zeit, sobald es an die Oberfläche gelangt. Es geht also übergangslos vom eis- in den gasförmigen Zustand über. An permanent dunklen, und damit extrem kalten Stellen, wo die Temperaturen minus 163 Grad Celsius unterschreiten, kann Eis hingegen über geologische Zeiträume überdauern.

„Eisvorkommen sind von den Polgebieten unseres Mondes und des Planeten Merkur bekannt, beide Körper sind ebenfalls atmosphärelos. Diese Eisablagerungen werden durch externe Einflüsse erklärt, beispielsweise durch Einschläge eishaltiger Körper wie Kometen“, so Nathues. „Auf Ceres hingegen ist das Eis in den polnahen Kratern wahrscheinlich einheimisch, das heißt, es stammt ursprünglich überwiegend von Ceres selbst“, stellt Platz klar. Wie Co-Autoren der Studie von der Freien Universität Berlin mit einer Simulationsrechnung belegten, könnte zum Beispiel der Einschlag, der einst den Krater Oxo schuf, eishaltiges Bodenmaterial, das unterhalb der Oberfläche existiert, frei gesprengt und bis in die Polregion geschleudert haben.

Die Dawn Mission wird vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der amerikanischen Weltraumbehörde NASA geleitet. JPL ist eine Abteilung des California Institute of Technology in Pasadena. Die University of California in Los Angeles ist für den wissenschaftlichen Teil der Mission verantwortlich. Das Kamerasystem an Bord der Raumsonde wurde unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen in Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze in Braunschweig entwickelt und gebaut. Das Kamera-Projekt wird finanziell von der Max-Planck-Gesellschaft, dem DLR und NASA/JPL unterstützt.

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