Rosetta-Komet: Staubfontänen aus der Tiefe

Einige Staubfontänen des Rosetta-Kometen lassen sich auf Vertiefungen auf seiner Oberfläche zurückführen. Sie könnten Überbleibsel eingestürzter Hohlräume sein.

1. Juli 2015

Unter der Oberfläche des Rosetta-Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko erstrecken sich bis zu einige hundert Meter große Hohlräume, die nach und nach einstürzen. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS), die Aufnahmen der Kometenoberfläche ausgewertet haben. Darin finden sich sonderbare, schachtartige Vertiefungen, die gewöhnlichen Kratern völlig unähnlich sind und aus denen Staub und Gas ins All entweichen. In ihrer aktuellen Studie argumentieren die Wissenschaftler, dass diese Strukturen entstehen, wenn Hohlräume unter der Oberfläche des Kometen einsacken. Die Studie erscheint am kommenden Donnerstag im Fachmagazin Nature.

18 sonderbar schachtartige Vertiefungen, die alle auf der Nordhalbkugel des Rosetta-Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko auftreten, haben die Forscher unter Leitung von Jean-Baptiste Vincent vom MPS untersucht. Sie werteten dazu Aufnahmen des Kometen aus, die das wissenschaftliche Kamerasystem OSIRIS an Bord der ESA-Raumsonde Rosetta in der Zeit von Juli bis Dezember vergangenen Jahres aufgenommen hatte. Die schachtartigen Vertiefungen treten in verschiedenen Größen auf: Ihre Durchmesser liegen zwischen zehn und einigen hundert Metern. Zudem haben sie nahezu vertikale Seitenwände und sind außergewöhnlich tief. Die größeren von ihnen reichen bis zu zweihundert Meter ins Innere des Kometen. An ihren Innenseiten zeigen die Aufnahmen Schichtungen und Terrassierungen; der Boden ist meist eben.

Ähnliche Strukturen kennen Forscher bereits von den Kometen 9P/Tempel 1 und 81P/Wild 2, die Ziel der NASA-Missionen Deep Impact und Stardust waren. „Wegen ihrer ungewöhnlichen Form unterscheiden sich diese Schächte deutlich von Einschlagskratern“, erklärt OSIRIS-Wissenschaftler Jean-Baptiste Vincent vom MPS. „Es scheint sich um ein typisches Merkmal von Kometen zu handeln“, fügt er hinzu.

Einige der Vertiefungen sind zudem aktiv: Die Analysen der Forscher ergaben, dass feine Staubfontänen von den Innenseiten ausgehen. Dafür werteten die Wissenschaftler Aufnahmen ein und derselben Staubfontäne aus verschiedenen Blickwinkeln aus. „Auf diese Weise erhalten wir Informationen über die dreidimensionale Struktur der Fontänen und können ihren Ausgangspunkt auf der Kometenoberfläche bestimmen“, so Vincent.

Allerdings kann dieses „Staubspucken“ allein die ungewöhnlichen Strukturen nicht erschaffen haben. Gefrorene Gase, die unter dem Einfluss der Sonne aus dem Kometenboden verdampfen, können nicht genug Staub mit sich reißen, um Löcher dieser Größe zu erzeugen. Dafür wären zum Teil tausende von Jahren nötig. Der Rosetta-Komet dringt auf seiner Umlaufbahn jedoch erst seit 1959 ins innere Sonnensystem und somit in die Nähe der Sonne vor. Und auch ein plötzlicher Aktivitätsausbruch wie ihn Rosetta etwa in der Anflugphase Ende April vergangenen Jahres beobachtete, ist nicht in der Lage, genügend Material zu bewegen.

Stattdessen spricht alles dafür, dass es sich bei den Löchern um eingestürzte Hohlräume handelt. „Offenbar werden diese unterirdischen Hohlräume mit der Zeit immer größer, bis die Deckschicht instabil wird und einstürzt“, so Holger Sierks vom MPS, Koautor der Studie und Leiter des OSIRIS-Teams. Als Folge tritt an den Rändern der Vertiefung frisches Material zu Tage, aus dem Gase verdampfen und das so die beobachteten Fontänen speist.

Doch wie sind die Hohlräume entstanden? Die Forscher sehen mehrere Möglichkeiten. So ist es etwa denkbar, dass das löchrige Innenleben des Kometen noch aus seiner Geburtsstunde stammt. Wenn sich kleinere Brocken, so genannte Planetesimale, mit niedriger Geschwindigkeit zusammenballen, können Lücken zurückbleiben.

Ebenso denkbar ist es, dass gefrorenes Kohlendioxid und –monoxid aus der Tiefe verdampft und Hohlräume erzeugt. Gefrorenes Wasser hingegen verdampft bei deutlich höheren Temperaturen. Diese lassen sich unter der gut wärmeisolierenden, oberflächlichen Staubschicht des Kometen nur schwer durch Sonneneinstrahlung erreichen. Stattdessen haben die Forscher eine andere Wärmequelle im Blick. Wenn im Kometenboden so genanntes amorphes Eis, bei dem die Wassermoleküle unregelmäßig angeordnet sind, kristallisiert, wird Wärme frei. Diese könnte ausreichen, um Wasser in ausreichender Menge zu verdampfen.

„Noch bevorzugen wir keine dieser drei Möglichkeiten. Vielleicht spielen auch alle Effekte zusammen“, so Sierks. „Wir hoffen aber sehr, dass die Mission in ihrem weiteren Verlauf Klarheit bringt.“

Schon jetzt erweisen sich die staubspuckenden Vertiefungen als hilfreiches Mittel der Altersbestimmung. „Da die Vertiefungen aktiv sind, verändern sie sich mit der Zeit“, so Vincent. Nach und nach dehnen sie sich aus; die Ränder ziehen sich zurück, so dass mancherorts terrassenartige Ebenen entstehen. Eine Kometenoberfläche, die noch tiefe Löcher zeigt, ist somit eher jung. Ältere Flächen zeigen sich als glatte Plateaus.

Rosetta ist eine Mission der Europäischen Weltraumagentur ESA mit Beiträgen der Mitgliedsstaaten und der amerikanischen Weltraumagentur NASA. Rosettas Landeeinheit Philae wurde von einem Konsortium unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) und der französischen und italienischen Weltraumagentur (CNES und ASI) zur Verfügung gestellt. Rosetta ist die erste Mission in der Geschichte, die einen Kometen anfliegt, ihn auf seinem Weg um die Sonne begleitet und eine Landeeinheit auf seiner Oberfläche absetzt

Das wissenschaftliche Kamerasystem OSIRIS wurde von einem Konsortium unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Zusammenarbeit mit CISAS, Universität Padova (Italien), Laboratoire d'Astrophysique de Marseille (Frankreich), Instituto de Astrofísica de Andalucia, CSIC (Spanien), Scientific Support Office der ESA (Niederlande), Instituto Nacional de Técnica Aeroespacial (Spanien), Universidad Politéchnica de Madrid (Spanien), Department of Physics and Astronomy of Uppsala University (Schweden) und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze der TU Braunschweig gebaut. OSIRIS wurde finanziell unterstützt von den Weltraumagenturen Deutschlands (DLR), Frankreichs (CNES), Italiens (ASI), Spaniens (MEC) und Schwedens (SNSB).

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