Künstliche Kometen im Labor

Der diesjährige Dieter-Rampacher-Preis geht an den Kometenforscher Dr. Chaitanya Giri vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.

17. Juni 2015

Dr. Chaitanya Giri vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) erhält den diesjährigen Dieter-Rampacher-Preis der Max-Planck-Gesellschaft (MPG). Die MPG ehrt damit den jüngsten Max-Planck-Wissenschaftler, der im vergangenen Jahr seine Promotion erfolgreich abgeschlossen hat. In seiner Doktorarbeit, die er an der Universität Nizza eingereicht hat, spürt Giri unter anderem organischen Molekülen im Kometenmaterial nach. Konnten diese Bausteine des Lebens an Bord von Kometen zur Erde gelangen? Und welche Stoffe sind für die tiefschwarze Farbe der Schweifsterne verantwortlich? Der Dieter-Rampacher-Preis wurde heute im Rahmen der Jahreshauptversammlung der MPG in Berlin verliehen.  

Viele Millionen Kilometer entfernt von der Erde ziehen die Forschungsobjekte von Dr. Chaitanya Giri ihre Bahnen. Den Großteil ihres Lebens verbringen Kometen in den Tiefen des Weltalls; nur gelegentlich dringen sie in das innere Sonnensystem vor. Doch obwohl sie geradezu unerreichbar sind, studiert Giri die fernen Himmelskörper ganz aus der Nähe - im Labor. „Für unsere Experimente versuchen wir in gewisser Weise, einzelne Bestandteile von Kometen nachzubauen“, erklärt der heute 27-jährige Forscher. „So können wir untersuchen, welche Eigenschaft das Material hat und wie es sich seit seiner Geburtsstunde entwickelt hat.“

Neben gefrorenen Gasen wie Wasser sowie Gestein enthalten Kometen vermutlich auch komplexe organische Moleküle wie etwa Aminosäuren, die Bausteine der Proteine. Wissenschaftler halten es für denkbar, dass Einschläge von Kometen die frühe Erde mit diesen Verbindungen versorgten. Ein Schlüssel zum Überprüfen dieser These ist die innere Architektur der Aminosäuren. Ein und dieselbe Aminosäure kann in zwei verschiedenen Bauarten existieren. Beide enthalten genau dieselben Atome, sind aber das exakte Spiegelbild der jeweils anderen. „Erstaunlicherweise kommt auf der Erde fast ausschließlich das eine Spiegelbild vor“, so Giri. Ist dieses Ungleichgewicht ein Erbe der Kometen?

Bisher vor Kurzem gab es keine Möglichkeit, die Bauart von Kometen-Aminosäuren zu bestimmen. Um der Frage dennoch nachzugehen, reiste Giri im Rahmen seiner Doktorarbeit ans SOLEIL Synchrotron in der Nähe von Paris. Dort bestrahlte er eine Mischung, die zu gleichen Teilen aus beiden Spielarten der Aminosäure Alanin bestand, mit zirkular polarisiertem Licht. „Diese Strahlung tritt im interstellaren Nebel am äußeren Rande des Sonnensystems auf, den wir für den Geburtsort der Kometen halten. Wir wollten wissen, ob sie in der Lage ist, Kometenmaterial, das Aminosäuren beider Bauart enthält, zu verändern“, erklärt Prof. Dr. Uwe Meierhenrich von der Universität Nizza, der Giris Forschung betreute.  

In der Tat scheint dies möglich zu sein. Je nach Polarisation und Energie des Lichtes reicherte sich eine der beiden Komponenten an. „Es ist also denkbar, dass diese Asymmetrie im interstellaren Nebel entstanden ist und sich dann mit Hilfe der Kometen bis zur Erde fortpflanzte“, so Giri.

Auch ihre tiefschwarze Färbung könnten Kometen organischen Verbindungen verdanken. In weiteren Experimenten untersuchte Giri den Feststoff Tholin, der sich aus gasförmigen Stickstoff und Methan herstellen lässt. Diese Stoffe lagen auch in der Geburtsstunde der Kometen vor; Tholin gilt deshalb als möglicher Oberflächenbestandteil von Kometen. Giris Untersuchungen zeigten, dass Tholin neben zahlreichen anderen komplexen reinen Kohlenstoffmolekülen auch Graphit enthält. „Dies könnte der Stoff sein, der die Kometenkerne schwarz erscheinen lässt“, so Giri.

„Experimente dieser Art zeigen Möglichkeiten auf“, erklärt der Chemiker weiter. „Gewissheit bringt nur echtes Kometenmaterial.“ Zum Glück ist dieses doch nicht völlig unerreichbar. Am 12 November 2014 setzte die Landeeinheit Philae der Rosetta-Mission sanft auf der Oberfläche des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko auf. Mit an Bord befindet sich das Instrument COSAC, das am MPS entwickelt und gebaut wurde, um die organischen Moleküle im Kometenboden zu analysieren. Im Vorfeld der Landung simulierte Giri mögliche Messergebnisse mit Hilfe der Flugersatzeinheit von COSAC, einem exakten Zwilling des Weltrauminstruments am MPS.

„Diese Vorarbeiten leisten uns nun wertvolle Dienste“, so Dr. Fred Goesmann vom MPS, Leiter des COSAC-Instruments. Denn vom etwa 60-stündigen Betrieb auf der Kometenoberfläche im November liegen nun echte Messdaten vor, welche die MPS-Forscher nun interpretieren. Zudem hoffen die Wissenschaftler, demnächst weitere Messungen durchzuführen. Die Landeeinheit Philae ist am vergangenen Wochenende nach siebenmonatigem Winterschlaf wieder aufgewacht und soll demnächst ihre wissenschaftlichen Experimente fortsetzen.

Chaitanya Giri hat an der Universität von Mumbai in Indien Chemie und Biophysik studiert. Bereits im Alter von 23 Jahren begann er seine Promotion an der Universität von Nizza und am MPS. Diese schloss er im September 2014 im Alter von 26 Jahren ab. Er ist damit der jüngste Max-Planck-Doktorand, der 2014 promovierte.

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